zügig

Ich sollte auf Lokführer umschulen, denkt Herr Nipp, unpünktlich sein, kann ich gut.

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ansatzweise richtige Modelle

Damals, er hatte an jenem Abend mit dem Lieblingsonkel auf dem Balkon gesessen, wie jedes Jahr in den Bergen, jeder ein Weinglas zur Hand und eine ebensolche Flasche zu Füßen, kein besonderer, sondern wahrscheinlich Silberstückl A, trinkbares Zeug, das nicht blind machte, aber bestimmt kein Lagrein, den gab es nur für besondere Anlässe, denn alles hatte zu dieser Zeit seine Zeit und den entsprechenden Raumusste man ihm einräumen, und auf dem Balkon der Pension trank man eben einfachen Wein, er war vielleicht gerade fünfzehn Jahre alt geworden, genau das richtige Alter nacheinung des Onkels, um mal ein Glas Wein zu trinken, hatten sie mal wieder eine dieser seltsamen kleinen Disputationen begonnen, die witzig, anstrengend und sehr lehrsam waren, Herr Nipp war wohl einen Moment unaufmerksam gewesen und schon hatte jener Onkel, seines Zeichens ein sehr streitbarer katholischer Priester, ihm einige Worte untergeschoben, die all das vorher Gesagte in Anrede stellen würde. Infam. Dieser ausgefuchste Rhetoriker vor dem Herrn liebte die Kunst der boshaften Wortverdrehung, jener Rabulistik, die er seinem Neffen zu dessen späteren Nutzen beibringen wollte. Glücklicherweise bemerkte der Jungmann die Volte rechtzeitig und war in der Lage, das Gespräch auf die Ebene der Metalkommunikation zu heben. So analysierten beide eindringlich das Geschehene. Und wenn er jetzt gerade, also in der Gegenwart des Heute, mit einem Glas Lagrein, natürlich in eine Decke gehüllt, auf der eigenen Terrasse sitzt, denn der Moment ist richtig, der Ort auch, ganz abgesehen von den anwesenden Menschen, jenen denen er alles anvertrauen kann, dann muss er an den wichtigsten Satz des Abends vor Jahrzehnten denken, den ihm der Onkel mit auf den Weg gab: Neben allen Funktionen und Ebenen der Kommunikation vergessen die meisten Menschen den vielleicht wichtigsten Punkt des Sprechens immer wieder in ihren Theorien: Welche Macht der Sprecher hat, entscheidet darüber, welche Folgen das Gesprochene hat.

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Zehn Platten

An einem Morgen, Herr Nipp sitzt mal wieder mit einem seiner Freunde beim Frühstück, kommt die Frage auf, welche zehn Schallplatten man mitnehmen würde, wenn man nicht mehr als diese mitnehmen könne. Vorzustellen wäre etwa ein Altenheim mit wenig Platz oder noch schlimmer; ein Bunker. Jetzt macht er sich neben den sonstigen Alltagssorgen auch noch Gedanken darüber, worauf er an Musik am wenigsten verzichten möchte. Welche Künstler, welche ihrer Platten könnten es sein? Natürlich fallen ihm sofort einige ein, die er immer wieder gerne hört: Nick Cave, David Bowie, Velvet Underground, Radiohead kennt so ziemlich jeder und da weiß er auch sofort, welche Platten: The god son (So viele Erinnerungen verbinden sich mit den Liedern, schöne und schreckliche Momente, die er nicht vergessen möchte.), Ziggy Starstust and the Spiders from Mars ( Für Herrn Nipp eine Möglichkeit abzuschalten und sich gleichzeitig zu konzentrieren, außerdem oft gehört, wenn bestimmte Menschen, die ihm sehr wichtig sind, zu Besuch waren.), Andy Warhol (Seiner Meinung nach eine der spannendsten Platten überhaupt, auch wegen der Stimme von Nico, die der instrumentalen Innovationswand von Lou Reed, Moe Tucker, Sterling Morrison und John Cale eine Tiefe entgegensetzt, dass es ihm die Gänsehaut hoch und herunter über den Rücken laufen lässt.) und Ok Computer oknotok (Immer wieder umwerfend, berauschend, emotional, ein Feuerwerk an Ideen, Harmonien und Brüchen, Eine Musik, die er sich als Mantel oder Haut überziehen kann. Dann kommen da natürlich zwei Komponisten in die enge Wahl, deren Werk ihn sein ganzes Leben begleitet: Mozart und Bach, von einen das Requiem (Dafür weiß er nur eine Beschreibung: Wahnsinn.) von dem anderen die Toccata und die Fuge in D-Moll (Immer zu hören, bei allen Tagesvorgängen. Zur Meditation, zum Kochen und Putzen. Zum Schreiben, Zeichnen, Lesen, zu tiefsinnigen Gesprächen.) Damit hat er also schon sechs Platten verbraucht oder besetzt, eigentlich ganz einfach, aber ab hier wird es schwierig, soll er vielleicht auch ein Album mit Jazz einpacken? Gehören auch ganz unbekannte Bands wie etwa Yenga, Black Monsoon, Künstler wie Peter Piek dazu, die er unglaublich schätzt? Was ist mit „Monarchie und Alltag“ von den Fehlfarben, mit der „Ich- Maschine“ von Blumfeld, „Digital ist besser“ von Tocotronik oder „Statdaffe“ von Peter Fox oder doch besser eine Platte von Seeed? Liegt ihm die einstige Lieblingsplatte „Haus der Lüge“ von den Einstürzenden Neubauten noch immer am Herzen? Was ist mit Komponisten wie Michael Nyman und Gorecky? Da sind ja auch noch The Cure, Aurora, Bauhaus, Blur, Blondie, Massive Attak, Goldcut, Portishead, überhaupt Triphop, und die Ska-Musik, der Reggea, der New Wave, eine Sachen aus der Punkära, die ihn zumindest gestreift hat, eben die ganze Pop-Musik, auch wenn jetzt wahrscheinlich der große Aufschrei kommt, so viele Töne, die sich wirklich tief eingebrannt haben. Und kann er auf das Gejammer von The Smiths wirklich verzichten? Auf die Violent Femmes etwa? Auch T-Rex, ja auch die Beatles, Jesus and Mary Chains, Eminem, Aphex Twin, Biff Bang Poe, The Chills, Gorillaz, Beth Gibbons, Fad Gadget, … .
Nein, alles muss genau überdacht werden, wahrscheinlich wird er sich doch lieber einen eigenen Sampler mit Lieblingsstücken zusammenstellen, in diesem Fall auf einem digitalen Tonträger, damit er von allen persönlichen Erinnerungen etwas bei sich hat. DDann muss es eben ohne Vinyl gehen. Sollen seine Kinder doch die „Lakritzscheiben“ behalten. Und mal ehrlich, muss er sich denn wirklich schon jetzt Gedanken darüber machen?
Sein Freund macht sich jetzt bestimmt über ihn lustig, aber das ist gut, dieser hat ihm mal wieder zum Grübeln gebracht. Er freut sich schon auf den nächsten Sonntag, denn die Gespräche mit diesem schätzt er auch im Streit als wichtige Anregungen.

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Grübeln

Sie sitzen zusammen, grübeln, manchmal sprechen sie leise miteinander. Wieder und wieder werden die Sätze Wort für Wort gelesen. Ein Wispern geht dann durch den Raum. Nach und nach wird es immer lauter. Vor allem einer denkt redend, redet denkend. Das ausgesprochene Wort nur scheint ihm echt zu sein. Die Erkenntnisse und Kenntnisse werden verbunden und ergeben als gekoppeltes neues Wissen, eine Weiterentwicklung des bisher Gedachten oder Vermuteten. Progression pur. Und dann die offene Aussprache. Plötzlich leuchten einige Gesichter, als sie verstehen, als sie entdecken, dass es sich lohnt zu grübeln, zu vergleichen und miteinander zu sprechen. An dieser Stelle, in aller Offenheit entsteht tatsächlich einmal Schwarmintelligenz.

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Ende der Zeit

„DAS KANN DOCH JEDER!“ Ein Schrei geht durch die Nacht. Herr Nipp weiß nicht, woher, weiß nicht, von wem. Er tritt vor die Tür in den Garten. Alles ist dunkel, abgesehen von der kitschigen Leuchtkugel im Garten der Nachbarn, die seit Jahren jede Nacht alle paar Minuten die Farben wechselt. Wahrscheinlich soll das schön sein. „DAS KANN DOCH WIRKLICH JEDER!“ Wieder ein Ruf, der in seinen Ohren einen schrecklichen Unterton hat. Meine Güte, denkt er, wer brüllt denn hier so ein Zeug durch die Nacht, das nervt. Und ein weiteres Mal ist der Ruf zu hören, danach absolute Stille, danach erlöschen alle Lichter. Nur der fast vollständig verschwundene Mond zeugt von den Gegenständen dieser Welt und ein Restgefunkel der Sterne. Auch die restliche Nacht ist nichts mehr zu hören, das Licht bleibt aus, offensichtlich gibt es einen Stromausfall, warum auch immer. So etwas hat er noch nie erlebt, noch nie eine ganze Nacht. Jetzt muss er zügig zusehen, dass das eingefrorene Wildfleisch bald gegessen wird, damit es nicht verdirbt. Damit kann er leben, allerdings wird er wohl grillen müssen, denn den gesamten Tag bleibt der Strom weg und die nächsten Tage auch. Was ist hier los? Was ist hier passiert? Er kommt sich vor wie in einem schlechten Endzeitfilm, auch dass er keine Menschen sieht, nirgends, da stimmt etwas nicht. Er läuft durch die Stadt und nirgendwo ist eine sogenannte Menschenseele zu sehen. Herr Nipp weiß es aus vielen mehr oder weniger erträglichen Romanen und Filmen. Jetzt ist das Ende der Zeit gekommen und das ist gar nicht lustig.
Er setzt diese verdammte Brille ab. Zum Glück mal wieder nur ein Virtual Reality Spiel.

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