1991 bis 2000

  • 23.12.2000 – Idiot
    Mach mich nicht zum Idioten, auch ich hab Gedanken und Gefühle, eine Geschichte, die durchzuwühlen war. Vielleicht unverständlich für dich, so wie deine für mich.
  • 22.12.2000 – Sagen
    Ich weiß nicht, was damit gesagt ist, ich weiß nicht, was damit gesagt ist, ich weiß nicht, was damit gesagt ist. Ist was gesagt?
  • 03.12.2000 – Starre
    Im Sichabwenden auch keine Befriedigung finden. Im Schweigen Ruhe nicht finden. Im Lachen keine Freude sehen. Wie ein Eisblock im Gefrierfach, starr.
  • 23.11.2000 -Sprachgitter
    Ich kann einfach nicht alles ignorieren. Auch wenn die Grenzen zu akzeptieren sind. Warum? Jeder sagt etwas anderes und verlangt auch noch, daß zugehört wird. Ein unentwirrbares, undurchdringliches Sprachgitter.
  • 19.10.2000 – Nebel
    In Angst und Schrecken gelebt, daß die im Nebel nicht heile angekommen wären.
  • 19.06.2000 – Herz
    Schlag für Schlag rennt das Herz durchs Leben. Als wäre das nichts. Manchmal, zum falschen Zeitpunkt, bleibt es stehen.
  • 20.04.2000 -Popel
    Der Eichenholzstaub in der Nase und der Eichenblätterkranz im Hirn machen braune Popel. Dunkelbraun.
  • 06.03.2000 -Füllraum
    Die Frage betrifft mich und dich, mein Selbstverständnis des Lebens und Ausübung einer wie auch immer freien Vorstellung von Kunst. Ein Gedanke ist oft nicht vielmehr als eine abgestumpfte Statistik?Warum müssen außerdem in der darunterliegenden Wohnung Fernseher so laut dröhnen?Nur die Hälfte des Füllraums ist übrig geblieben. Der Lehrer sagte, du schreibst so lange, bis alles, aber auch wirklich alles restlos aufgebraucht ist. Aber ich bin so unendlich müde, antwortete der ungehorsame Schüler und handelte sich damit eine schallende Ohrfeige ein, die er auch sicherlich vortrefflich verdient hatte. Der Erwachsene bestimmt. Was ist lehrenswert, was nicht? Enthält etwas, etwas oder nicht? Armer Schüler, Kreatur, du mußt dich fügen. Irgendwelche Leute kommen herein und bestimmen über dich. Aber laß dir bitte deine Gedanken und die Würde nicht nehmen. Autos rauschen auch vorbei.
  • 03.02.2000 – Dokumentation
    Was Leute alles erlebt haben wollen! Ist es wirklich das Erlebnis, das zählt, oder ist es das Hinterherdarüberredenkönnen? Möglichst in einer abgefuckten Talkshow? Haha, da haben wir mal wieder betroffen die Köpfe aneinander gehauen und mitten rein getroffen. Es scheint wirklich wichtig zu sein, das Erlebte, sei es noch so langweilig, platt und unwichtig, schwachsinnig, möglichst breittretend zu verarbeiten. Witzig die Ichbineinperverserouter, die jeden dritten Tag ein neues, noch so abgenudeltes Laster erfinden, von dem sie glauben, sie könnten telegut und interessantzugeldmachbar sein. Heute im Angebot: „Gummifetisch mit Echthaareinsätzen, Hundeficken auf dem Schlachthof und ein geiler, außerirdischer Afterlecker.“   Prima, ja prima und Einschaltquote.Und welche Ruhe einer längeren Reportage, ich vermiß sie meist.
  • 12.12.1999 – Futter
    Die häßlich freche Finkenbrut kommt wieder und plündert letzte Reste Futter. Immer heftig, immer streitig und immer aufmerksam.
  • 10.11.1999 – Farbe Struktur
    Allmählicher Verlust der Übersichtlichkeit durch ständige Überlagerung verschiedener Farbkomponenten, allmähliche Zerstörung einer Übersichtlichkeit durch Vermengen der Strukturen, relativer Farb- und Formenkauderwelsch zwecks Erreichung eines Verständnisses.
  • 03.11.1999 – Sein
    Hab wohl im Moment den Überblick verloren, einen Moment den Überblick verloren. Nicht wissend, wo der, oh, gar wie ich stehe. Wo ist der Boden oder wo müßte er eigentlich sein und immer ein gewesen war. Scheint gleich Treibsand zu umschließen, mich zu würgen, droht zu sticken, zuviel Raum, Raumproblem, kontrastives, nein konstruktives ist von mir jetzt nicht zu erwarten. So, abschließend noch der eröffnende Istmomentanegal, vor dir eine Form im Raum, nein, auch das bin ich nicht. Auch wenn man mich darin entdecken könnte, sollte man, und im Speziellen, solltest du es nicht versuchen. So etwas hat meist fatale Folgen, folgen, folgt mir, und so weiter, weiter. Nein, nicht sein, schreien sollst du, sauf, friss, hur herum. Nach fünf, zehn, zwanzig Jahren bist du ausgebrannt und das ist gut so, denn du hast dann wenigstens nichts davon, aber viel davon gehabt. Geld ist egal und vor die Hunde gegangen ist die Welt ja sowieso. Ein einziger Schein, orthodoxe und so, Christenmenschen, ohne es zu merken, daß sie längst verloren haben. Die gute alte Ohihrsünderpredigt in den Kirchenmauern hört ja keiner mehr, wer auch. Und lass dir nicht von brüderlichem und so einem Verhalten erzählen, vergiss es, sie wollen nur deine Seele, oder glauben zumindest immer noch, dass es sie gibt.Wieder schön brav gewesen und befolgt, was aufgetragen wurde. Ha, eine halbe Stunde warten, Weile redet Sinn und das was andere dafür halten oder zumindest so zu tun scheinen.Schön, hier also steh ich auf dem hölzernen Boden. Kleine Sinnlosigkeiten in mich rein. Ich bin mir mein immer wieder gleiches Ding, daß es, oh nein schon wieder overgeturnt. Nicht wirklich aber der herzergreifend einfachste Weg.Von keiner dieser seltsamen Musen geküßt. Lieber hart und wie so oft verzweifelt. Die Äußerlichkeiten lassen wir mal außen vor oder nicht? Daran gearbeitet zu haben, zu haben. Daran gearbeitet zu haben, ist so und trotzdem schön und durchsichtig geblieben.
  • 01.09.1999 – Wasser
    Es gibt einfach Situationen, nach zuviel getrunkenen Alkoholrationen etwa, da ist kaltes, nicht kühles Wasser  im Gesicht eine der größten Menschheitserfindungen
  • 30.07.1999 – Festhalten
    Man kann nur versuchen, das Beobachtete in eine Form zu bringen und festzuhalten. Dazu braucht es nicht unbedingt langer Texte. Oft ist das kurzknapppräzise viel angenehmer. Verdaulich.Würde man versuchen das Miristschlecht in einem fünfzehnseitigen Essay zu umschreiben, einzupacken, eine lyrische Tiefe zu geben? Daß es allerdings grundsätzlich falsch sei, einen längeren Text zu schreiben, kann nicht bestätigt werden, es kann von Zeit zu Zeit sogar ganz wichtig und nützlich sein, durchaus hilfreich sich der eigenen Gedanken und Einstellungen, Ideen bewußt zu werden, sie vor Augen im wörtlichen Sinne zu führen. Wie ein klärendes Mitsichselberzwiegespräch. Tschuldigung, Monolog. Aber lange Texte, Romane, Bücher und Programme, alles was auf diesem Gebiet im Angebot steht, und das ist keineswegs eine angenehme, nein, eher peinlich anrührende Seite, die Gefahr, Möglich-, Nötig(?)keit in sich, eine simple Reihung von Geschehnissen, Anekdoten und Einfällen zu sein, die durch eine stattliche Anzahl nicht oder wenig sagender Füllsätze miteinander verbunden , ein simples Mosaik darstellend, ohne das Gefüge und den Zusammenhalt eines Gemäldes zu erreichen?
  • 23.04.1999 – Geschmack
    Langsam finden die Geschmacksnerven ihr gesundes Mittelmaß.
  • 20.04.1999 -Herrschaft der Köpfe
    Vielleicht bin ich es ja, der große Angst hat, vielleicht du. Diese Gesellschaft, gegründet auf  den zigmillionen Toten der zwei großen Kriege. Unsere Ahnen und Verwandten waren Mörder, die Schweiger noch immer. Brutal und ohne Gnade. Sie wollten leben, nein, sie wollten Macht und Herrschaft und wollen sie immer noch und wieder.Die Herrschaft unserer Köpfe und Gedanken.
  • 15.04.1999 – Arroganz
    Ich hoffe, ich bin nicht abergläubisch. Nicht abergläubisch bin ich, aber arrogant. Eine Arroganz, die zu Pferde reitet, hoffärtig und geschmacklos edel. Bitte vorsichtig, eine der Pistolen ist geladen. Appetitliche Gebirgelandschaft. Und blödes Knacken im Nacken bei jeder schwerfällig müden Wendung. Vor Augen eine Schar Menschen , ungewaschen und zerlumpt. Zumindest in meiner Intriganz. Geht zurück, geht zu rücksichtslosen Taten über! Ich sitze so in der Sonne und verbrenne von innen nach außen. Es ist kalt. Dieses sandige Knacken bei jeder Drehung. Ein Fahrstuhl, der in die Tiefe führt. Niemand weiß genau wohin. Die Färbung des Lichts verändert sich irgendwie. Da ist sie wieder, meine Arroganz.
  • 20.03.1999 – Nachtspaziergang
    Tränen auf deinen Wangen und ein Hauch von Duft im Atem. Hinter mir Autolichter, die langsam folgen und einreden, ich müsse laufen. Ich weigere mich strikt. Nein, das nicht, nicht diesmal. Du wirst wohl schließlich gewinnen. Heute Abend muß ich was essen. Die Tränen ersticken und das innere Leersein füllen mit Gefühlen und Liebe. Der Glaube ist ein Kult, den ich nicht zu verstehen wage.
  • 15.03.1999 – Hintergrundfernseher
    Die Schwierigkeit, sich auf einen Text zu konzentrieren, ist, die vielen Wörter und Gedankenverstrickungen in eine lesbare Reihe zu bringen. Was da oben ist, was ich nicht kenne. Wer mag das in Reihen fassen. Wer will ihn bändigen?Wenn er sich entscheidet, sich zu erkennen zu geben, könnte er ihn und andere… Er könnte sie töten oder einfach über das Leben hinweggehen, wie andere über den See. Und wer will noch? Und wer ist Tot? Und gib mir Leben.
  • 27.02.1999 – Friedhofsbesuch
    Eine Rose und tränende Augen. Das Glas schmerzt in den Händen.
  • 27.01.1999 – Widmung
    Irgendwelchen, irgendwann, irgendetwas widmen möchte, kann ich nicht. Einem oder einer Bestimmten zur richtigen Zeit das Angebrachte aus tiefstem Herzen.
  • 25.01.1999 – Der intensive Gebrauch nur weniger Stunden, Schmerzen.
    Alles schmerzt in heiligverzückter Lähmung und doch dieses zuckersüße Gefühl von Sex, purer Hingabe, dem Körperlichen. Sexismus, nein. Aber purer Sex. Muß mal sein, das Ausleben deiner Triebe, gegen die Eintönigkeit und Starrheit, gegen selbst- und fremddiktierte Konventionen. Das sollte nie zu kurz kommen. Diese Triebe helfen, sich besser kennenzulernen. Also mal wieder Regeln aufgestellt und verwissenschaftlicht, in den allgemeinen Kanon eingefügt.
  • 30.12.1998 -Vorsilvester
    Die holde Weihnachtswerbezeit ist jetzt vorbei. Morgen kommen die Sylvesterkracher, insgesamt wird es wohl eine Woche dauern und viele abgerissene Finger kosten.Dann kommen Ende Januar die Osterfressartikel.
  • 25.12.1998 -Weihnacht
    Aber was hast du? Ich dachte, es wäre immer noch meine Heimat. Die haben dich ganz schön zusammengeschossen.Vorsicht, helft mir mit dem Wagen…ora omni pro nobis? Aber die da war an. Oh ja. – mea culpa, lächerlich.
  • 14.12.1998 -Vorweihnachtszeit
    Noch nicht Weihnachten und schon wünschte ich, es wäre alles vorbei. Wie ich die Werbekonsumzeit der inneren Äußerlichkeit nicht mag. Schon fast verabscheue ich sie. Mitteleuropäische Germanenverarschung. Ach nein, jetzt aber bitte nicht auch noch den rechten Moralapostel rauskehren.
  • 28.03.1998 – Stein
    Stein sein in einer Treibsandwüste
    Absinken zum nicht Sichtbaren
    unbemerkbaren Fundament werden
    umflossen und eingebettet in Unwägbarkeiten.
  • 01.01.1998 – Betrunkene Neujahrs – ja – wort – gedankenflut.
    Nicht auszuhalten. Hundertfünfundzwanzigsmarktaxifahrt auf glattgefrorenen Wegen. Die Party war durchschnittlichaberwirsindgutdraufundschauspieler. Alles anders und Streitereien sind belanglos. Geplänkel über Freunde. Geläster über Bekannte. Ein Alltäglichzusammenkeitsbild. Schöne Neujahrseinwegbescherlichkeit. Ja, aber, nein, nicht aber, sondern so.
  • 16.09.1997 – Übermüdet
    Der Punkt, an dem ich schlafen wollte, konnte und hätte sollen, ist vorbei. Dieses seltsame Gefühl der Übernächtigung. Übermächtig war der Bruder Schlaf dann doch wohl nicht, nur ihn zu besiegen, nicht aufzugeben, Härte und Unnachgiebigkeit gegen sich selbst zu zeigen, lächerlich. Draußen hört man langsam die Autos der Discokids heimkehren. Man war unter Leuten, hat getanzt, gelacht, getrunken. Die Pillen sind alle geschluckt und keiner hatte mehr was zum Nachschieben, der Chillout brachte es auch nicht mehr, noch rumgebaggert, alles ent- oder weder. Hat die Sorgen und kleinen Nöte vergessen.
    Eine Einladung heute wurde ausgeschlagen. Einfach mal Ruhe haben wollen. Ein paar Dinge klüngeln, sich Zeit lassen für Unwichtigkeiten und Eingelulle. Die Zeit raste wieder vorbei, immer streng linear. Eine Stunde nach der anderen. Die Ohren sausen schon seit Stunden und die Augen haben aufgegeben zu tränen. Man hält sich noch an Kleinigkeiten fest, um sich nicht selbst und uns zu vergessen.Oben wartet wieder mal ein vorgewärmtes Bett und der Kamin hier flackert so schön.
  • 15.09.1997 -Leben
    Das starke Gefühl, meine eigenen Entscheidungen zu treffen, hält mich vielleicht am Leben. Täglich tötet mich die Fremdverantwortung. Täglich tötet mich die Fremdentscheidung.
  • 25.05.1997 – Ein schöner Tag
    Sobald du erkennst, ob das, was ist, wirklich scheint, scheint das Leben reicher und leichter zu werden, reicher und leichter Schein. Lebensschein, Reichtum und Leichtsinn. Losigkeit in Schein, Sein, Sinn. Wirklich sinnvoll das Ganze. Sein wir reich. Du kannst alles durchstehen, wenn es wirklich auf dich einwirken kann, Du es dazu kommen läßt. Der Krieg wird nie vorbei sein. Und wieder Schein, Widerschein, ein Schein in der Hand, Stand. Krieg und Sinn? Du kannst alles durchstehen, wenn Du verstehen, einstehen, einsehen und durchschauen kannst. Sinnlos, vergiss es. Ein schöner Tag heute Nacht. Ein Wiederaufschein Widerschein Wiederschein, wieder schrein Leute unten an der Ecke.
  • 22.01.1997 – Bei Kerzenlicht
    Im Esszimmer hängt nur eine nackte Birne an der Strippe. Sie verbreitet ein angenehm ehrliches Licht. Die Gesichter wirken, wie sie sind, müde oder einfach belanglos. Selbst die gut geschminkten sehen aus, als könne man die Haut unter der Paste erkennen. Schon nach einer Viertelstunde muß die Lampe gelöscht werden. Kerzen leisten leise qualmend die schwere Arbeit, das zu verdecken, was keiner sehen soll und will. Ein munterer Ess- und Spielabend von so netten, natürlichen Leuten.
  • 06.01.1997 – Romantik
    Die zwei möglichen Seiten sind einerseits Hausfrauenromantisierung von großen Künstlern und jenen, die dazu  aufgebauscht werden und andererseits kritische Auseinandersetzung. Das Ignorieren sei hier beiseite gestellt.
  • 24.12.1996 – Vorstellungsgespräch bei meiner Sterbestunde
    Sie saß hinter dem Schreibtisch und sagte nichts. Wie eine große unantastbare Lethargie. „Entschuldigung, sie hatten mich gerufen, kann ich ihnen helfen, was wollen sie?“ Ich starrte sie unentwegt an, ohne wirklich etwas Reelles erkennen zu können. Begreifen, eine der schwersten Übungen. Sie schrie mir Schweigen in den Kopf und sämtliche Gliederungen.
  • 16.12.1996 – Über Bücher
    Viele schöne Sachen, grandiose Arbeiten sind dabei herausgekommen, aber das wird ihm vorgeworfen, sich selbst zum bloßen Illustrator zu degradieren. Lieber kein Buch machen, als ständig und immer wieder anderer Leute Texte zu klauen. Der Unterschied zwischen Machen und Sichbedienen ist wie beim Kulturschaffenden und Kulturträger. Der eine trägt das, was Kultur hervorgebracht hat, er bewahrt, hält instand und sorgt dafür, dass etwas nicht in Vergessenheit gerät, der andere baut durch seine Sozialisation auf die Kultur seinen Ichmitmirundderwelttempel. Nicht immer begreifbar, aber immer unausstehlich. Das Buch ist nicht so dahingemacht, in die Ecke gepisst, es ist gesponnen, verwebt und nicht vorverdaut, vielleicht aber vorlaut, vorwitzig und nicht gerecht. Kein Illustrator ist er, sondern selbst er.
  • 13.12.1996 – Über die Unverständnisse
    Das mußte wohl etwas mit höherer Mathematik zu tun haben. Oder Physik?Es waren natürlich für normal unverständlich ein paar Zahlen. Irgendwelche Zahlen, Reihen und Formeln. Jonglagen für Fachidioten, solche die sich mit Stolz dafür halten oder es einfach noch werden wollen. Das Bild, welches entstand, war unverständlich schön. Nur für solche Bilder würde es sich lohnen Mathematik zu studieren oder zumindest verstehen zu lernen. Es entwickelte eine eigenständige ganz ungekünstelte Ästhetik, einen zänkisch liebevollen Widerstreit in sich. Zahlenreihen und Kolonnen, die adrett geordnet, scheint man aus schulisch ekelhaft verbrämten Zeiten nicht aus den Kopf und Magen zu verlieren, ein unanständiger Würgereiz. Doch diesmal was anderes. Zeichen und hunderte von Verweispfeilen lassen einem Augen tanzen und beschwirren die Sehnerven, irrer Tango unaussprechlich blödsinnig verflucht noch mal geil. Ein Vergessen, daß es auch noch andere Sachen gibt, die vonzeiten durchaus wichtig, für Momente.
  • 06.11.1996 – So nicht
    Und sei auf der Hut vor Leuten, die dir von Labyrinthen schwärmen, diese mal so hinwerfen, Wegweiser erfinden. Sie haben sicherlich noch nichts begriffen, nicht was sie da tun, nicht was das überhaupt ist oder aussagt.Sie haben keine Vorstellung von Mysterium, Meditation, Schrecken und Angst. Sie hocken in ihrem scheinbar sachlichen Kasten, scheinbar antibürgerlicher Weltanschauung.Nimmst du einem Choral das letzte Wort, bleibt nichts als fürchte dich.
  • 20.08.1996 – Der letzte Tag.
    Und du hast wie immer gut geschmeckt.
  • 12.07.1996 – Aushalten
    Wie könnte ich in meiner egozentrischen Selbstverliebtheit dieses Land hassen, das mich hervorgebracht hat? Ich mag nur seine Geschichte nicht und muß doch dazu stehen. Diese Vergangenheit hat uns einer Verantwortung ausgesetzt, die scheinbar nicht jeder versucht zu verstehen. Begreifen kann sie keiner. Ich darf uns nicht vergessen.
  • 13.07.1995 – Bewegung
    In Bewegung. Ich kam in Bewegungen, die nicht voraussehbar waren. Ich hab mich verloren.
  • 11.07.1995 – wahrnehmen
    Im Vorbeigehen gerade noch wahrgenommen. Bevor es aus den Augenwinkeln verschwand.
  • 10.06.1995 – Striche
    Augenblicke absoluter Vertiefung. Wenn Raum und  Zeitverhältnisse schwinden. Minuten zu kilometerweiten Räumen werden. Und jeder Zentimeter Zeit von Generationen mißt. Jeder Strich birgt tausend Gedanken. Nie lässt er sie frei.
  • 03.01.1995 -Vom Glück
    Die Texte der Lügner sind oft besser als die derjenigen, die wirklich etwas fühlen. Der eine fühlt und kann es nicht objektiv ausdrücken oder beschreiben, der andere schreibt für jeden verständlich, was er gerne fühlen würde, aber nicht imstande dazu ist. Eine gefühlvoll-theoretische Abhandlung einer Vorstellung. Zum Glück weigere ich mich zu schreiben.
  • 23.12.1994 – Sehen hören fühlen
    Ich bin ein Blinder, der nachts den Weg besser findet als tagsüber. Nachts ist der Großteil an Leuten im Haus, keiner stört und der Blinde kann seinen Weg straight on gehen.In bin ein Tauber, der seine Musik nicht hört, sie in sich trägt und täglich neu gestaltet, komponiert. Kein Geräusch kann stören beim Leben der inneren Symphonien.Ich bin ein Lahmer und jede Bewegung ist ein Erlebnis.
  • 10.12.1994 – Zimmer
    Buch, Blatt, Schein, Kiste, Tisch, Flasche, Diskette, Brille, Stift, Tastatur, Glas, Heft, Schublade, Matratze, Adresse, Stuhl, Kasten, Holz, Teppich, Nadel, Schatten, Strich, Blechdose, Klebestreifen, Kupferplatte, Lampe, Monitor, Draht, Dia, Kamera, Scharnier, Deodorant, Schallplatte, Tisch, Drucker, Locher, Füller, Pfennig, Lineal ideales Schlafzimmer
  • 23.11.1994 – zeichnen
    Auf dem Boden eine Kiste, in der Kiste hunderte von bezeichneten Blättern fein säuberlich übereinandergestapelt. Auf dem Boden sechs oder sieben Blätter, daneben ein Bleistift, Tusche und eine Feder, Martin zeichnet wieder
  • 18.11.1994 – Gasflamme, Freund beobachten
    Ein schmaler Spalt Fenster gibt Ausblick auf den dunkelgraublauen Nachthimmel und einige Äste. Er steht auf der Treppe. Der Rausch ist verflogen. Es bleibt ein fahler Geschmack und dieses Gefühl, da ist etwas gewesen. Er versucht seine Hände zu sehen, aber die stecken in seiner Hose. Die Finger legen langsam ihre Taubheit ab. Vorsichtig, kein Knacken soll ihm sich selbst verraten, steigt er Stufe um Schritt zur oberen Etage. Es ist ein wenig kalt. Die Ohren nehmen Geräusche in sich auf und verstärken sie zu einem unentwirrbaren Summen. Das also sucht er, denkt er, die Stille. Die Haare sind wirrkopfphantastisch in alle Richtungen gedreht. Jedes Haar ist fühlbar für sich. Der beige Rollkragen Pullover aus Schurwolle kratzt an und in jeder Pore seiner darunter unbedeckten Haut. Da oben sind auch irgendwo Sterne. Ein Wattebausch ist wie ein Stein gegen das was er gefühlt hat. Die Treppe knarkt doch so vor sich hin und jeder Schritt ein Abenteuer. „Verfluchte Scheiße“ stößt er sich den großen Zeh an dem Geländer. Die Hände gleiten aus den Taschen seiner braunen Wildlederhose. Er muss ganz plötzlich an diese langweiligen und von den meisten wohl auch überschlagenen Landschaftsbeschreibungen aus längst vergessen geglaubten Karl May Romanen denken. Bücher, eine, seine Welt in die er sich immer wieder berauschend flüchtet. Alles, die ganze Welt kann da zu Füßen liegen. Oben schaltet er das Licht im Zimmer erst nach Minuten an, um das Fußbodenchaos nicht sehen zu müssen. Die letztendliche Überwindung muss ihn dahin führen aufzuräumen. Der Sohn, der Kaminbesitzer und der Geschichtenträumer. Jedes Teil hat seinen Platz. Im Regal, im Kleiderschrank, selbst und stolz wie Oskar restauriert, „das ist mein.“Der Mund widersetzt sich jeder kalkulierten Unterdrückung, er reißt sich sperrangelfürchterbar auf und gähnt. Schlechter Tabakatem lässt den selben stocken, schnell aufs Klo und Zähne putzen. Ein Pickel unter der Zunge schmerzt schon seit Tagen. Zurück im Zimmer wird der Schreibtisch Arbeitsplatz und Wirkwunder. „Scheißrechnungen, was hat das schon mit mir zu tun.“ Ein paar Hefte werden schnell zerrissen und im Mülleimer sicher verstaut. Diese Peinlichkeiten braucht dann niemand mehr zu sehen. Vom Jederistsichselbstdernächste bis zu gescheiterten Projekt der Peinlichkeiten ist es manchmal kein sehr großer Schritt. „Macht nichts, ich bin jung und den meisten ist Freiheit eh ein Fremdwort.“ und wenn nicht, glauben sie tatsächlich, sie realisieren sich ,ha.Seine Augenbrauen ziehen sich beim Gedanken an die Kopfschmerzen zusammen, zumindest das, was übrig ist. Der Rest ist gestern aus Versehen mit zu hoher Gasfeuerzeugflamme abgefackelt und der hält sich immer noch dramaturgisch in der Luft. „Ja, das wars wohl für heute.“
  • 17.11.1994 -Realitivität
    Jede Kleinigkeit scheint
    Bei genauer Betrachtung
    Relativ groß
    Und birgt unendlich viele Formen
    Und Wichtigkeiten
  • 14.11.1994 – Linien
    Flächen breiten sich aus
    Weit und dunkel
    Engen sich zu Bändern Linien
    Grenzen einander
    Stellen dar
    Mal durchsetzt
    Mal monochrom
    Und sind Punkte
    Je nach Relation
  • 13.11.1994 – Punkte
    Eben oder beliebig gekrümmt
    Im Raum
    Eine Menge von Punkten
    Mit genügender Beziehung
    Äußerer Gestalt
    Der Wahrnehmung dargeboten
    Durch Stoff erfasst
    Durch Gestalt anschaulich offenbart
  • 01.03.1993 –
    Eine Illustrierte gelesen und jetzt mal wieder frustriert; sollte besser Frustrierende heißen. Nötigung, Totschlag, Gewalt an Schulen, höhere Steuern, Kriege, Umweltkatastrophen. Kein Ende, nur zwischendurch ein paar sarkastische Witze, die so nah sind, dass das Lachen im Halse stecken bleibt. Auf dem Sofa sitzt ich in der Diele. Meine Mutter steht kochendu nd wild rotierend in der Küche Sie ist mal wieder sauer. Der böse Sohn hat nicht katholisch sittsam zu Hause gschlafen, sondern musste die Nacht bei seiner Freundin verbringen. Jetzt wartet er auf die verständnislose Standpauke (zu diesem Zeitpunkt bin ich 24 Jahre alt wohlgemerkt). Die Zeit zieht, dehnt sich, nur das Rauschen des Rauchabzugs über dem Herd ist zu vernehmen, zwischendurch das Klappern ihrer halbzerfetzten Schuhe, die aufgetragen werden müssen, man ist schließlich arm. Und in Saus und Braus zu leben wäre gegen den Glauben; und der beherrscht mehr als alles andere das Denken einer Familie Ende des 20. Jahrhunderts. Ein Glaube voll Mysterien, der Marienanbetung und der Heiligenverehrung. so denkend, sitze ich auf dem Sofa und höre dem Prasseln oder zumindest zeitweiligen Knistern des Kamins zu. Er stellt sich vor, die Flammen, die glut zu sehen wie früher, aber der neue Kamin hat Stahlklappen. Das lebendige ist ausgeschlossen. Wenn es wenigstens Glastüren wären, hatte ich schon so manches Mal gedacht.Aber was half es. Er musste wieder an seinen Glauben, besser den der Familie, denken und wie weit sich auch seine Geschwister davon entfernt hatten. Konnte man an einen Papst glauben, der in Hungergebieten rief „Wachset und mehret euch“ oder in Kenia die Aidskranken zu Märtyrern machte. Konnte man an die Jungfrau Maria glauben, die nach Jesus noch fünf oder sechs Kinder in die Welt gesetzt hatte? War der katholische Heiligenkult nicht Götzendienst?Wann noch gleich hatte Jesus gesagt, dass vorehelicher Geschlechtsverkehr verboten sei? Er, der sich mit Wohlbehagen die Füße von einer (schönen) Frau salben ließ und dem Wein nicht abgeneigt war!
    Inzwischen hatte seine Mutter die Flimmerkiste in Gang gesetzt und begann mit der meisten Leute Lieblingsspiel: Channelswitchting. Sehr schnell bei Pro 7 angekommenund wieder zurück zum Glücksrad, Sat 1. Sie wartet auf den Familienvater. Rentner, jetzt freier Mitarbeiter seines ehemaligen Büros. Es ging ihnen wirklich nicht schlecht.
    Ein Wagen kam vorgefahren und brachte tiefgefrorenes und sie hatte dem ungezogenen Sohn gesagt, er solle es in die True bringen. Was dieser natürlich auch folgsam gemacht hatte.
    Jetzt sitzt er wieder auf dem sofa und wartet auch; was wohl geschehen würde. An der Terrassentür klopft es, Ewigkeiten bis sich seine Mutter aus dem bequemen Sessel erhoben hat und die Tür geöffnet wird. Seit Jahren immer wieder das gleiche Geräusch. Unbeschreiblich, unverkennbar. Er kommt rein. „Mahlzeit“ „Mahlzeit“. Essen. Fritierte Kartoffeln und Erbsen mit Möhren. Die Eltern essen außerdem Fleisch. Er, der sohn, nicht, seit Jahren nicht mehr. Auch das war lange Zeit nicht verstanden worden. Fleisch bekommt er immer noch angeboten. „Ach, du isst ja keins.“ Auch die kleinen, wie unbeabsichtigt wirkenden Vergesslichkeiten wareb in der letzten Zeit immer häufiger zu Anlässen von Aggressionen zwischen Mutter und Sohn. Nach dem Essen , esgab  zum Nachtisch eingemachte Sauerkirschen und Apfelmus, sitzt er wieder auf dem Sofa vor dem Kamin. Die in einer roten Jeanshose steckenden Beine mit schwarzen Lederschuhenüber einander geschlagen schaut er in das Buch. Nebenan entsteht Bewegung bis zum sofa, Sessel. Das Geräusch des sich auf das Mobiliar fallen Lassens. Klick. Der Fernseher ist wieder angeschaltet. Er hört nun die Kamingeräusche, da die Ablüftung abgeschaltet wurde. Das Rauschen hatte alle hohen Töne, den Wind und feines Knistern übertönt. Jetzt ist es richtig gemütlich, denkt er. Nur das ewige Geblubber des Fernsehens stört ihn. Messerstechereinen, Bomben, aber auch Hilfsgüter für Bosnien. an den Krieg haben wir uns jetzt gewöhnt, er gehört zum Alltag. Die Meldungen rufen keine emotionalen Regungen mehr hervor, denkt er, der sohn. sitzt auf dem sofa, neben sich eine von der mutter gehäkelte bunte Decke aus wollresten, links zwei Kissen übereinander gelegt. Als Lesepult. Von Zeit zu Zeit schaut er aus dem Fenster. Die Kätzchen der Haselnuss bewegen sich gleichmäßig im Wind. Wenn sie zu einem bestimmten Punkt gebogen sind springen sie zurück, um erneut gebogen zu werden. So bleiben sie elastisch und bieten doch einen gewissen Widerstand.
    Er greift mit der Hand zur Nase und junkt sich. Die Haare darin sind wohl mal wieder zulang. Er, der Sohn, überlegt, ob sie mal wieder geschnitten werden müssen, bleibt dann aber doch sitzen. Und wartet, ob irgendwann etwas passiert.
    Am Mittagstisch war kein wort darüber verloren worden, dass er die Nacht bei seiner Freundin verbracht hatte. Der Vater hatte vom Morgen im Büro erzählt, den Ärger, und dass er einges im Büro anders regeln würde, aber der Junior-Chef habe nunmal alles in der Hand. „Der hat eine ganze Woche am Treppenhaus eines Forsthauses gezeichnet und die Entwürfe schon drei mal verworfen. So etwas darf höchstens einwen Tag dauern, sonst wird es viel zu teuer. Heute hat er mich gerufen, damit ich ihm einen Rat gebe. Nach einer Woche an einem Detail zu arbeiten, da sag ich nichts mehr zu. Und bin wieder an meinen Tisch an meine eigene Arbeit gegangen. Wer soll denn sowas bezahlen?“ Der Neue ist seit gerade mal acht wochen da und schon jetzt im Urlaub. „Der wär schon lange gefeuert bei mir. Der Alte regt sich zwar auf, traut sich aber nicht, was zu sagen, da der Junior mit dem Neuen befreundet ist und die Hand drüber hält. “ an solche oder ähnliche Gesprächs – Monologfetzen kann sich der sohn erinnern, aber keine hatte etwas zu gestern Nacht gesagt. Und das ist bitter, wenn man sich eine tolle Verteidigungsrede ausgedacht hat.
    Die Mitte des Sofas bildet eine ziemlich tiefe, angenehm weiche Mulde, wenn man sich niederlässt. Es ist nicht schön, aber dafür bequem und vor dem Kamin sitzt der Sohn von einer molligen Wärme umhüllt. von Zeit zu Zeit reibt er knatschend das Ledes der Halbschuhe aneinander vorbei. Der eine ist offen, die Schnürbänder hängen, als sei nichts besseres zu tun, in der Weltgeschichte herum. Als ihm ein Bein einschläft, bewegt er sich zum ersten Mal seit längerem großartig, hält das linke Bein hoch und stützt sich mit dem Ellenbogen auf die bunte Häkeldecke. Wenn man so auf alle Geräusche achtet, muss man plötzlich feststellen, dass es gar nicht so still im Haus ist. Die Briefkastenkläppchen schlagen, immer wieder unregelmäig bewegen sich die Fassungen, der Kamin heult und die Küchenuhr tickt unentwegt. Nur manchmal hat er das Gefühl absoluter Stille, aber das kommt wohl eher von innen. Der Wind scheint stärker zu werden. Der sohn wird jetzt langsam müde und müsste eigentlich zur Toilette, aber die Trägheit ließ ihn bis jetzt sitzen bleiben. Dann plötzlich und unerwartet steht er auf, schmeißt ein paar Stücke Holz auf dem Kamin und geht zur Toilette wo er sich sich genüsslich hinsetzt und das Geschäft erledigt. Immer wieder befreiend , denkt er, und daran, was Jens, ein Bekannter aus der großen Hauptstadt, mitte der woche gesagt hatte: „Etwas Hunger zu haben ist letztendlich angenehmer als so überfressen wie im Moment zu sein.“ Recht hat er, denkt der Sohn und bleibt noch ein Weilchen auf der Brille sitzen, obwohl es ziemlich frisch ist. Er hat einfach keine Lust aufzustehen, sieht sich aus Langewiele im Badezimmer um. Ein viertelrunde Wannein der Ecke, beherrscht den Raum, der aus zwei ehemals kleinen Räuemen zusammengelegt wurde. Großzügig und angenehm. Ein moderner Designerschrank, eine Heizung als Handtuchhalter. Zwei violette Teppiche. Katholisch bis aufs Klo, denkt er und fragt sich , ob solch ein Gedanke an sich schon Blasphemie wäre. Er entscheidet sich aber für naheliegende Assoziation und ruht mit Gedanken und augen schon an der kleinen Feigenbirke neben der Wanne, die letzte Zeit wieder neue Blätter bekommen hatte, nachdem es lange Zeit so aussah, als würde sie eingehen. Schließlich wird es dem sohn zu dumm, in der Kälte zu sitzen, putzt sich, wäscht die Hände, putzt sich noch die Zähne, die er nach dem Mittagessen vergessen hatte und setzte sich wieder auf den Platz vor dem Kamin. Der wind hat nachgelassen, die Küchenuhr und der Kühlschrank nicht. sogar die sonne zeigt sich und erzeugt eine angenehme Gänsehaut. Langsam, aber sicher, wird der der junge Manbn unruhig. Ein enttäuschender Tag. Er geht wieder zum Kamin, öffnet die türen und schaut in die flammen. Der Fernseher ist schon lange wieder aus, der Vater im Büro. Der Sohn hört dann und wann leise Schnarchgeräusche der Mutter aus dem Wohnzimmer. einfreidliches Haus zeigt sich ihm, aggressionlos. Aber er weiß, dass dieser Zustand sich auch wieder ändern kann. Innerhalb weniger Minuten.
  • 10.02.1993 – Kostüme
    Kostümpartie, viele Tote und Vampire. Foto von Königs. Abgang betrunken.
  • 09.02.1993 – Wahl
    Wieder ein Tag vorbei. Die letzten Anwärter auf die Professorenstelle haben vorgesprochen. Vier der neun sind ausgewählt. Nun müssen Sachverständige das Endgültige entscheiden. Abendessen, einige Studierende und zwei Dozenten am Tisch sitzend quasseln. Wer ist es den eigentlich geworden? Das sollte nicht so laut gesagt werden, so etwas nach dem Motto: Ätsch, du bist raus, könnte das ganze Verfahren gefährden. Dann sagen sie es leise. Nein, außerdem ist auch schon raus, wer raus ist. Sie müssten es doch eigentlich wissen. Bin gerade erst ins Brauhaus gekommen, kann ergo nichts wissen. Weißt du, wer es geworden ist? Ja, Dann schreib es auf den Tisch. Wird drüber gegangen, man wendet sich anderen Dingen zu. Und Abgang.
    Der Schreibtisch ist mit fremden Sachen belagert. Ach ja, hatte Anja gesagt, den Schreibtisch heute nicht zu gebrauchen. Beiseite geräumt, auf den Tisch gesetzt und etwas notiert. Anja nähert sich von hinten rechts. „Ich dachte schon, du hättest auf meinen Konzepten herumgekritzelt.“ „Nein.“ “ Hätte dich in Grund und Boden gerammt.“ „Glaube dir nicht.“ „Doch, wirklich.“ Und Abgang.
    Schreibe weiter. „Muss die Lampe noch abbauen!“ Von hinten ins Ohr gebrüllt. „Weißt du? Ach vergiss es einfach.“ Wird ignoriert. Und Abgang.
    Die Gesellschaft löst sich auf, Susannes Gequassel verstummt, flammt dann und wann wieder auf. Fast beschwörend, irgendwas über die Überdehnung von Bändern. „Tschüühhüüss“ Mehrmals von allen Seiten. Der Fahrstuhl schnellt herauf. Das Klackende des Türöffnens und Wiederverschließens und weg sind sie. Die Stimmen von drüben sind weg, sind verstummt, die Lüftung der Säurekammer bläst unablässig monozon. Man sollte nicht drauf hören, macht nervös.
    Auf dem Tisch steht die Charakterblume, eine Kaktee, stachlig, haarig, mit Wunderkerze und rosa Topf. Gespräche, jetzt unerfreulich wieder laut, drehen sich um die morgige Kostümfete. Das Geschirr wird abgespült. Blatt in die Schublade zu legen. Und Abgang.
  • 07.02.1993 – Sehen
    Ausstellungseröffnung zum Semsterende. Wenn überall sogenannt neue Bilder hängen, ein paar Skulpturen über die Fläche verstreut. Hier und da Sekt trinkend vornehm einige Grüppchen Besuchern in intensiver Unterhaltung. Feinheiten und LÄstern hinter vorgehaltener Hand. Ist das ganz schön mies dies. Nach einer Stunde verlieren sich die nie dagewesenen Massen massenhaft und bleibt gähenende Leere.
  • 02.01.1993 – Rausch
    Ständiger Bewegung verpflichtet, sich anstrengen und nicht ins Bett gehen, noch nicht, muss das Maß an Realität voll werden. Was willst du ? Solange deine Gefühle nicht klar sind, kann auch niemand helfen. Spring vom Dach, aber bringt es dich weiter? tausend kleine Lichtreflexe spiegeln sich auf deiner Haut und zeigen Leben. Eingefettet in des Schweißes Bad. Drei oder vier weiß keiner sogar.
  • 11.11.1992  – RealitätenIrgendwelche Dinge werden uns als Realitäten vorgestellt. Statistiken und Untersuchungen. Aber uns bleibt im Grunde verschlossen, was sie aussagen. Da sie, die Realitäten, nur Ausschnitte sein können, ist ihr Anspruch auf Allumfassendes zu hoch gesteckt. Glaube ist in der Wissenschaft ganz einfach fehl am Platz, ist Teil von Religionen.Vor dem Spiegel stehen und das eigene Gesicht betrachten kann so faszinierend sein, dass man minutenlang die Zahnbürste in der eigenen Hand vergisst. Man macht sich zum Schauspieler und Illusionisten. Entwerfen wir also Grimassen und Furchen gegen die Tristesse des Alltags? Ein kleines Zwischenspiel, das, kaum der Beachtung wert, an uns vorüberziehen wird, wie alles andere auch. So sieht es aus, scheint zumindest so, oder könnte es auch…Was hat dieses Gesichtchen in tausend Falten gelegt? Die Stirn kraust sich und das Kinn verschwindet unter dem Oberkiefer, die rechte Augenbraue zuckt anwidernd und doch so verlockend peinlich. Langsam aber stetig tropft der Speichel aus der gierenden Lippe. Eine Ecke dieser immer leicht geöffnet. Freiheit, eine Traumwelt voller Abenteuer schleimt es durch die Windungen der Oberstube, gleitet von Zeit zu Zeit im Gedankenschlick aus und droht im Nebel des Alkohols zu ertrinken. Die Schreibmaschine ist so weit entfernt.„Ich bin so froh, hab als erstes geguckt, ob auch dein Bild in der Mappe war, ist wirklich das Beste.“ Hat mich stolz gemacht. Aber getraut zu zeigen hab ich mich das nicht. Eigentlich schade und ein Augenblick. Und immer um eins. Und halb zwei nachts rauscht unten im Tal der verfluchte Zug um nutz- und fast wertlose Eisenbarren wegzubringen. Der Oberarm hat einfach keine Lust mehr, also schreit er „Hör auf, ist ja unerträglich.“ Glaube aber keineswegs daran, außerdem klopft die Turmuhr halb.Jetzt die Tortur. Sich aufraffen, das Licht löschen, den Weg zurückfinden und versuchen die drei Tropfen Schlaf zu finden, die es morgen, gleich möglich machen werden aufzustehen. Zehn vor acht schaltet sich das Radio ein und lärmt. Was die Ohren gerade noch verkraften können, irgendwelche Worte und Musikfetzen.Andere schreiben seltsame Bücher, wohl auch Bestseller, wie ich hörte. Gerrits Heuschreck gefällt mir wirklich, wenn es auch manchmal in der Wortwahl zu bieder, geradezu statisch aufgebaut ist. Überlegen sollte er sich, ob ein Mensch auch wirklich im Extremfall so reden würde. Moralisch alles wasserdicht. Aber man kennt die andere Seite Gerrits, die andere Seite aus Ich singe vom Menschen und seinen schönen, so gemeinen Gedichten.Gern sähe ich jetzt die Wasserpfeife frisch gestopft. Der Rauch schichtete sich durch das Zimmer auf mich zu. Irgendwann dann wegraffen und voll Genugtuung auf der Seite einschlafen. Was also ist Realität? Ein Leben inklusive Hoffnungen und dubiose Träume oder gelangweiltes Nachgeforsche irgendwelcher gutdotierter Herren?  Und dreihundert Seiten fertig, aber keinen, der es vielleicht drucken würde.Die Frage betrifft mich und dich, mein Selbstverständnis des Lebens und Ausübung einer wie auch immer freien Vorstellung von Kunst. Ein Gedanke ist oft nicht vielmehr als eine abgestumpfte Statistik?Warum müssen außerdem in der darunterliegenden Wohnung Fernseher so laut dröhnen?Nur die Hälfte des Füllraums ist übrig geblieben. Der Lehrer sagte, du schreibst so lange, bis alles, aber auch wirklich alles restlos aufgebraucht ist. Aber ich bin so unendlich müde antwortete der ungehorsame Schüler und handelte sich damit eine schallende Ohrfeige ein, die er auch sicherlich vortrefflich verdient hatte. Der Erwachsene bestimmt. Was ist lehrenswert, was nicht? Enthält etwas, etwas oder nicht? Armer Schüler, Kreatur, du mußt dich fügen. Irgendwelche Leute kommen rein und bestimmen über dich. Aber laß dir bitte deine Gedanken und die Würde nicht nehmen. Autos rauschen auch vorbei.
  • 21.04.1992 – Witz
    n Witz; n Witz; n Witz – Nein, das ist kein witz, kein Witz. Aber du glaubst mir nicht und schaust mich belustigt an, kein Witz. Je mehr lachst du. Hysterisch, verächtlich mich auslachend. DAS IST KEIN WITZ. Halt die Klappe, hör auf zu lachen und sieh der Realität ins Auge. Ich mache gerade keinen Witz. Hör also auf. DAS IST KEIN WITZ: Aber du lachst in einem krankhaft fort. Zeigst mir deine Zähne und schüchterst mich mit der Visage ein. Verzerrte Gesichtszüge im Widerschein der roten Ampel. Es gibt nichts mehr zu lachen.
  • 25.12.1992 – komische Leute
    Nette Leute mit verbeulten Köpfen; Schleim aus der Nase und im Mundwinkel Spuckefäden. Seit Tagen ungewaschen, unrasiert, im Schritt ein dunkelfrischer Urinfleck.Weihnachtsidylle vor einem Krankenhaus. Kleinstadt. Dann wieder gähnende Leere. Der Blick fällt auf eine kränklich dahinsiechende Eschein ihrer blattlosen Unpracht. Die wurzeln sind bedrängt vom Asphalt des Bordsteins. Löchrig, wie wund gerieben. Der daneben stehende Stumpf zeugt von einem früheren wohl genauso unglücklichen Nachbarn, der allerdings aufgegeben hat. Inzwischen längstwahrscheinlich im Kamin verbrannt, eine Wohnung geheizt.
  • Irgendwann im Herbst 1992 – Formen
    Formen in der Natur gefunden. Ich gehe von kleinen Formen der Natur aus, die große Strukturen aufbauen. Das Prinzip ist der fraktalen Geometrie bekannt: Große Zusammenhänge setzen sich aus immer wiederholenden kleinen gleichen oder ähnlichen Strukturen zusammen. Misst man zum Beispiel die englische Küste, so ist zu fragen, wo man anfängt, denn je näher man sie sieht, desto kleinere buchten und zum Schluss Ecken und Vorsprünge können wahrgenommen werden. Das Faszinierende ist die Tatsache, dass ein Küstenausschnitt von wenigen Metern die gleiche Struktur aufweist, wie einer von mehreren Kilometern. Das gleiche Phänomen findet sich überall in der Natur wieder. Die Verkleinerung bzw Vergrößerung setzt sich bis ins Beliebige bzw Unendliche fort, bis, wie es scheint, natürliche Grenzen gesetzt sind. Weitere einfach nachvollziehbare Beispiele sind die Spirale, die sich vom Atom über die Schnecke bis hin zu ganzen Galaxien zieht, das Farnblatt, das sich immer gleichbleibend bis zu einer physiologischen Grenze verjüngt, oder der Blumenkohl, welcher aus winzigen Knöllchen besteht, die die gleiche Form aufweisen, wie der Gesamtkopf. So greife ich mir winzige Strukturen aus der Natur und zeichne sie. aus der entstandenen Zeichnung „zoome“ ich wieder winzige Strukturen und zeichne erneut. Dieses wiederholt sich einige Male. bis ich nach diesen Zeichnungen Zinkplatten zu Einzelformen zerätze und diese sowohl als Hoch- als auch als tiefdruck übereinander drucke. Auf den Drucken entstehen durch Überlappungen der Einzelformen neue Kleinformen, die starke Ähnlichkeiten aufweisen. Nach diesen werden neue zinkplatten geätzt. Der Vergleich mit dem Original aus der Natur zeigt meist starke strukturelle Übereinstimmungen. Der zweite, nicht weniger wichtige Aspekt der Arbeiten ist die rhythmische Bewegung. Meist arbeite ich zu Musik von Micheal Nyman, der die Musik zu sämtlichen Peter Greenaway  geschrieben hat. Jede Komposition wird durch diese Klänge beeinflusst. Wer sich wirklich auf diese Musik einlassen kann oder es getan hat, wird sicher einen relativ schnellen Zugang zu den Graphiken finden oder sie verstehen oder sie nachvollziehen können.
  • irgendwann im Sommer 1992 – Exkursion nach Frankreich
    Scheinen sich besonders gut auf mit Flechten bedeckten Kalksteinen zu vermehren. Die Luft wimmelt von Gewitterwürmchen. Das weiße Hemd Bennos an mir ist überdeckt davon, und wenn das schon nicht, dann sicher befinden sich ca. 1000 darauf. Die sonne stach besonders heute. Oberwohl der Wind ungewohnte Kühlung brachte. Die Haut fühlt sich teilweise ziemlich verbrannt an, trotz Lichtschutzfaktor 17. Das war wieder ziemlich ungesund. Diese Idiotie, schimpfe ich, sonst akute Hautkrebssucht. Dafür bekommt man eine ziemlich gesunde Hautfarbe. Auf jeden Fall sieht man nicht mehr allzu blass aus. Habe aber nach wie vor keine Lust, das Oberteil auszuziehen. Kommt vielleicht noch. Fahren gleich nach Hause. Beginne im übrigen auch Hunger zu bekommen. Benno ruft schon. Sollen wir fahren. Tanje will noch bleiben
  • 13.07.1992 – Sommerabend
    Leiernd füllt das Band die Luft mit wabernden Klängen längst vergangener Zeiten; ich komm mir vor, als ob halb gefressen, halb verwest im Autositz verrottend; also ob nicht mehr hier schon lang und die Batterie immer schwächer wird. Vertraute Melodien werden getreten, gepeitscht und klingen seltsam kreischig klagend.
  • 20.04.1992 – Ostern
    Parkplatz abwarten; zehn vor zehn im Auto sitzen; leute mit Hund spazieren sehen; dicke Schuhe – Leine los; ab – er rennt; Kleintierhatz, gewartet, fahrlos
  • irgendwann Ende 1991 oder Anfang 1992 – Cult
    Würde es je wieder so sein wie früher, die gewohnte Enge, anfängliches Nichtssehen, die Musik, die vielen bekannten und unbekannten, langweiligen. gelangweilten,heftigen, grellen, schwarzen und weniger dunklen Leute? Heute war es für mich das letzte Mal im Werl. Das alte Cult stirbt. Kommt bald nach Neheim, auf zwei Etagen und Hiphop Zeromusik kommt stante pede. Steffi halb am heulen, betrunken, ein paar Abschiedsfotos noch heimlich geschossen und dann?
    Nächste Woche kommt endlich die Murdersplatte raus, auch das Videofanzine von Carsten, beide mit meinen Covers. Well. Muss ich doch jetzt erstmal schlafen.
  • 19.11.1991 – Schnabeltier
    Die Tür auf schlägt mir kalte Luft entgegen auf nassem Pflaster feucht gewelktes Laub steil herab vorsichtig nicht ins Rutschen kommen am dunklen Haus voraus Asphaltstücke voll mattem Glanz wie aneinander gesetzt eigene Landschaften sich erschließen die Dreizackkirche vor grellem Licht im Nebel steil herauf Bürgersteigsteine zerbrochen führen die Katze unterm Dach das Stahlgeländer schillernd Schimmer   Widerschein am Auto vorüber das Licht springt an zur Haustür herein der Tag ist vorbei im Bett das Telephon schlaf ich das Schnabeltier unterm Arm ein
  • 18.11.1991 – Nebel
    Nebelwand lässt nicht durch
    bleibe stehen
    Mist will weiter
    laß durch
    laß mich doch durch scheiß Nebel
    was soll das
    laß mich durch
    er las mich durch langsam
    Seite für Seite
    stückchenweise geht’s voran
    wofür ist so ein Nebel gut
    dringt ein
    füllt aus langsam
    Raum für Raum
    merkt er nicht daß ich ertrinke
  • 17.11.1991 – Gefahren
    Gefahren kilometerweit
    Baum um Baum
    Pfosten um Pfosten
    Dörfer rasten vorbei
    und Musik dröhnte in den Ohren
    bin gefahren kilometerweit so weit
    kanns kaum glauben
    jetzt hier zu sein
    soweit
  • 16.11.1991 – Laub
    pflasterfeucht welkes Laub
    baumleerend gefallene Herbstpracht
    unter tausend Füssen malmend
    zu frühwinterlichem Wegschmutz
    uneinheitlich braunschwarzer Modder
    jede Ritze sich erobernd
    ausfüllt
    Hundekot abdeckend
    sich an Schuhe klebt
  • 15.11.1991 -Fallen
    Falten türmen sich auf
    fallen
    falten sich neu ins Auge
    den Verstand verzagen
    fallen
    die Tür fällt langsam ins Schloß
    ich in die Tiefe
    des Glases Rotwein
  • 14.11.1991 – Freiheit
    Vogelfrei. Wie ein Vogel zu sein, wünschte ich oft, so frei.
    Jetzt ist es kalt und ich bin froh, keiner zu sein,
    so schön warm hier im Bett.
  • 13.11.1991 -Herbst
    Lange Schatten nächtens im Licht der Scheinwerfer
    das Auto kommt näher
    immer näher
    kurz jetzt die Schatten der Blätter
    auf feuchter Straße
  • 12.11.1991 – nach Hause gehen
    ganz klein zu Fetzen gerissen
    in der Manteltasche des Wegs
    ein gelb blaues Bonbonpapier
    wird es immer kleiner
    auf anderer Seite der Schlüsselbund
    klimpernd die Walnuß schlägt
    auf der Straße Metalldeckel
    Gas
    von hinten Motorengeräusch
    rauscht ein dickes Auto vorbei
  • 11.11.1991 -Schon geschlagen
    wieder gehe ich die steile Straße herauf
    sehe Asphalt
    Steine
    Wände
    fühle Mattheit
    schon geschlagen
    wieder gehe ich die steile Treppe herauf
    rieche Kaffe
    Zigaretten
    Wein
    fühle Müdigkeit
    wieder ein geschlagener Tag
    nichts ereignet
    man ergraut
  • 10.11.1991 – Park
    Vor mir ein Paar mit Hund
    gehe ich durch den Park
    langsam ohne Zeit
    ohne Zeit in mir
    kalt ist es
    glaub ich auch
    so richtig zum Setzen
    eine Bank
    welch angenehme Nässe
    das Paar mit Hund schon weg
    wie´s scheint dunkelt´s
    schön hier und so herrlich kalt
    morgen muß ich weg
    ob ich heute noch aufstehen soll
    aber dunkle Parks sind so wirklich.