Auf dem Sofa

Um es direkt zu sagen, auf dem Sofa liegt er gerade, hat die Wolldecke bis zum Kinn gezogen und versucht zu schlafen. Man weiß ja, wie das ist, wenn auf Deibel komm raus versucht wird zu schlafen. Entweder es gelingt erst gar nicht, weil die Gedanken ihre Kreise drehen und die auf keinen Fall durchbrochen werden können, oder aber, und das ist die viel schlimmere Variante, finden immer wieder Störungen statt. Der Partner, der sich zu einem setzt oder die Partnerin und plötzlich, was sie vorher noch nie getan hat, unbedingt etwas ganz Wichtiges vorlesen muss und will. Vielleicht einen Text über das Tragen und das Ein- und Ausladen des Bullis. Schlimmer ist es allerdings, wenn die Katze, die einen gerade adoptiert hat und die sehr selbstbewusst und vor allem fordernd auftritt, sich mit einem gezielten Sprung auf die besagte Wolldecke katapultiert und dann in aller Ruhe gleiche unter stetigem Zurechttreten in genau die gewünschte Position bringt. Dann ist ihm jede Ruhe verloren gegangen und er will schon aufstehen, als er bemrkt, dass die Trägheit des auf dem Sofa Liegens ihn schon soweit getrieben hat, dass er auf das Aufstehen verzichtet. Er bleibt immer wacher werdend liegen und letztlich wird die Zeit mit der schlafenden Katze auf oder vielleicht doch zwischen den Beinen genauso herumgehen wie jede andere Zeit auch. Nur bewusster.

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Eine tiefere Botschaft

Wenn er das singt, „eine tiefere Botschaft ist mir nicht bekannt“ kann Herr Nipp das verstehen. Trotzdem hört er sie in regelmäßigen Abständen. Mal im Sommer vermehrt, mal im Winter. Die Texte von tocotronic liefern so viele Leerstellen, dass es kaum auszuhalten ist. Projektionsflächen könnte man auch sagen. Eigentlich denkt er, spielen seit Beginn ihrer Karriere immer das gleiche Lied in tausend Facetten und genau das mag er. Klar, ein Freund sagt, das sei doch lächerlich, über Jahrzehnte dieser Musik nachzuhängen. Ja, sagt Herr Nipp, das mag sein, aber Blumfeld mit seiner Hinwendung zum billigen Schlager, die Toten Hosen mit ihrem platten Stadionrock haben es eben voll verk… Herr Nipp braucht keine tiefere oder gar hehre Botschaft, sondern liebt die Projektionsfläche und Melancholie der Band um Dirk von Lotz. Und Sätze wie – ach hört euch die Platten von tocotronic einfach selbst an, denkt Herr Nipp und versinkt mal wieder in den Klängen und Texten.

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Sitz

Sie sitzen da auf ihrem Sitz
sie warten auf Wild
das ist kein Witz
und wenn sie was sehen
wird es nicht gekillt
sie wollen nur sehen
dann soll es nur gehen
im Herzen sind sie ganz mild

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Sprichwort – ein Text für Gesprech

Unten im Keller
mittlerer Raum steht frei
zumindest fast
das meiste Gerümpel wurde entrümpelt
mit dem Bulli zum Schuttplatz gebracht
die Männer dort
die Frauen auch
sie kennen uns
lachen meist schon
wenn wir kommen
Metallreste, Holzreste und Müll
alles getrennt
Jedes Mal über die Waage fahren
auf das Nicken der Dame im Büro
warten
weiter
Immer wenn wir was machen, muss ich schwer tragen
Sie schaut mich an
halb empört
halb belustigt

ein Werkraum soll her
Holz holen
Reste von da, von dort und von hier
möglichst nichts Neues kaufen
Irgendwie geht es auch anders
vor allem macht es mehr Spaß
und der Bulli ist wieder voll
bis oben hin
mit Holz
von da, von dort
nach hier
Immer wenn wir was machen
muss ich schwer tragen
sie schaut mich an
halb empört
halb belustigt


Einräumen in den Bulli
Gang für Gang schleppen
Ausräumen aus dem Bulli
Gang für Gang schleppen
in den Keller
in den fast leeren Raum
ich kenn da ein Sprichwort sagt sie
sie hat es selbst erfunden
immer wenn wir was machen
muss ich schwer tragen
sie schaut mich an
halb empört
halb belustigt

und dann müssen wir beide laut lachen
es kann losgehen

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Stadtwärts – ein Text für das Projekt „Gesprech“

Die Haustür schlägt mit einem Kratzen zu.
Klickend schließt das Schloss.


Die Treppe herunter über den selbst gelegten Weg aus rotem Sandstein.
War das ein Vergnügen, diese Wegplatten zu suchen, auszugraben, gemeinsam den Boden vorzubereiten und dann die verschieden starken Steine in das Gefüge einzupassen.
Inzwischen schon fast vergessen, das Zusammenwirken, meist sprachlos, mit Blicken und dem Tun der Hände.
Das Schaufeln und Glattziehen, das Auswählen, Anpassen, Abstreuen
Das Klopfen mit dem Gummihammer
Das Überprüfen auf Feastigkeit
Manchmal nachfüllen, wenn der Stein wackelte.

Heraus in die Straßenfluchten
mal ganz neu gemacht – ungewollt
mal sich selbst überlassen seit Jahrzehnten – ungewollt
selten Kopfstein, mal Betonpflaster, meist Asphalt
es lebe das Praktische
zwischen den seltenen Parkmöglichkeiten Architektenpetersilie
andere nennen diese Funktionsbepflanzungen auch Bäume
Amber, Ginko, Tulpenbaum
kein ökologischer Nutzen, klar
aber grün in den Straßen, das zählt
und wer macht sich schon Gedanken darob
Nahrung für Tiere wird auch überbewertet
wovon sollen die vielbeschworenen Bienen leben
die Vögel und Eichhörnchen, die anderen Insekten
Insektenhotels liefern keine Nahrung
Greenwashing heißt so etwas wohl
es gab mal Nussbäume, Kastanien, Rotdorn
es gab mal Ahorn, Weißbuche, Birke
Futter en masse

den Geschäften entgegen
den Kettengeschäften
nur wenige echte Einzelhändler
der Systemgastronomie entgegen
wo sind die Eckkneipen eigentlich geblieben?
Na, es geht gegen Wochenende
mal wieder die ätzenden Parolen der Nazis
nahe der roten Kirche
und die Demokraten finden keine eigene Sprache
über den Markt, der kleiner wird
die verbliebenen Stände, letzter Rest
Brötchen vom Dinkelbäcker
vielleicht beim Plattendealer eine Vinylscheibe finden
die Anlagen dort ein unerfüllter Traum
ein netter und kurzer Plausch
Austausch von Zynismen
herzlich lachen
und dann ganz schnell wieder heim
Rückzug mit der ergatterten Musik
zurückziehen
zurückziehen
zurückziehen

immer weiter zurückziehen

ins Schneckenhaus

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