Halb halb

Regelmäßig geht er in eine der Bäckereien seines Vertrauens, am liebsten in jene, die hauptsächlich mit Dinkelmehl arbeitet. „Was können sie denn empfehlen?“ „Alle Brote sind lecker. „Das ist genau die Antwort, die er an diesem Morgen gebraucht hat, denn er selbst ist wenig entscheidungsfreudig, also eine etwas andere Frage: „Anders gefragt, welches Brot haben Sie heute Morgen gegessen?“ „Also die erste Scheibe war ein Körnerbrot mit richtig saftiger Note und die zweite dick geschnittenes frisches Graubrot. Doppelback.“ „Na, dann nehme ich ein halbes Doppeltes.“

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Blätter

Nichtwissend oder nicht wissend zu sein, gefiele ihm in manchen Zusammenhängen überhaupt nicht, ein gepflegtes Halb- oder gar nur Sechstelwissen aber passt da schon ganz gut. Es reicht, wenig zu beherrschen, um den meisten oberflächlichen Konversationen zu folgen oder gar ihnen einen Input zu geben, den richtigen Spin, wie es im Neudeutschen wohl heißt, um die Unterhaltung in ihrer Gewichtung zu verändern. Er mag es vor allem, den Menschen, wenn auch nur ein wenig, mit diesen halbgaren Inhalten, das Wort im Mund leicht zu verrücken. Dabei hat er in den letzten Jahren festgestellt, das es effektiver ist, Verwirrung zu stiften, wenn man das Gegenüber nicht vom Gegenteil überzeugen will, sondern es in fast allen Punkten entschieden unterstützt, gleichzeitig aber immense Zweifel säht.

…Herr Nipp blickt auf seine ins Wort gesetzten Gedanken und muss ganz plötzlich feststellen, dass sie gar nichts mit der Überschrift zu tun haben.

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Gartenfenster

Er sitzt an seinem Platz, vor der großen Scheibe, die ihn von der dunklen Außenwelt trennt. Schaut er hinaus, sieht er nichts als die Dunkelheit und davor den hell erleuchteten Raum, in dem diese alt gewordene Figur am Tisch sitzt und wiederum ihn betrachtet, ganz unverschämt ohne Scham ihm in die Augen blickt. Irgendwann wird er erkennen, dass da in der äußeren scheinbaren Schwärze auch noch einige Lichtquellen zu finden sind, solche von anderen Häusern, in denen vielleicht auch Menschen sitzen und gegen ihre eigene Spiegelung schauen, den Blick in das Draußen durch das Licht des eigenen Zuhauses verwehrt. Er weiß um die Bäume, die dort draußen des nahenden Frühlings harren, die Pflanzen, die vielleicht schon jetzt langsam und unermüdlich ihre noch gelben aber gründenden Blätter durch den halbgefrorenen Boden nach oben schieben, manchmal vielleicht unterbrochen von einem neuerlichen Frost, der das Fortkommen behindert. Doch weiß er es wirklich oder vermutet er vielmehr?

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Gespräche

„Regelmäßig telefoniert Herr Nipp mit seinen Freunden und nahen Verwandten, nicht, um sie auszuhorchen oder zu verwirren, sondern um mit ihnen offen zu sprechen, zu erfahren, was mit ihnen ist und wie sie die Gegenwart sehen. Ihre Stellungnahmen sind wichtig, sind vielleicht manchmal sogar maßgeblich für die Zukunft, wer weiß. Er erhofft sich viel von den Angerufenen, das weit über die seine reine Vernunft hinaus geht, sondern das denkende Mitfühlen meint. Jene bewusste oder gemeinte Intuition also, welche die Beziehungsebene zwischen ich und der oder du ausmacht oder aufzeigt. Dann freut er sich, selten auch nicht, je nachdem ob der Angerufene in der Lage war oder ist, das Sein in ihm genügendem Umfang zu reflektieren.“

…wieder einer dieser Texte, würde Herr Nipp wohl später sagen, die auf den ersten Blick so schlau wirken, letztlich aber nichts sind als dumpfbackige Gehirnwichserei eines Impotenten.

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Wann ist er gegangen

„Wenn er denn wirklich gegangen ist, wann kann das denn dann gewesen sein, oder anders gesagt, was gibt uns die Gewissheit, dass jemand wie er überhaupt gehen will oder gegangen sein könnte, wenn er die Möglichkeit sähe, zu bleiben oder uns ein Bleiben oder Gehen vorzutäuschen?“ Herr Nipp folgt dem Gedankengang und besinnt sich der Wurzel des Streites, fragt das Recht und die Wirklichkeit und je mehr er sich in der Fragestellung verstrickt, desto weniger kann er glauben, dass seine Wahrnehmung an einer beliebigen Stelle auch nur ansatzweise in ähnliche Verstrickungen geraten wäre. Er beißt in den Apfel, der schon seit geraumer Zeit von ihm geknetet wird und Saft spritzt an seine frisch geputzte Brille.

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