Sonntagswaffel

Normalerweise, das weiß eigentlich jeder Mensch, der ihn kennt, backt er sonntags Waffeln. Das hat Tradition und jedesmal freut er sich darauf, aber dieses Mal will er einen Kuchen backen. Vier Eier gibt er in die Rührschüssel, etwas Zucker, wenig Fett dazu und 300 Gramm Mandeln, zwei geriebende Möhren, etwas Salz und später noch Mehl und Backpulver. Zum ersten Mal soll ein Möhrenkuchen daraus entstehen. Als er die Masse in die Backform umfüllt, muss er feststellen, dass es zu viel Teig ist. Also holt er das Cloer-Waffeleisen aus dem Schrank und backt Möhrenwaffeln, wird auch schmecken.

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Kontrast

Eigentlich denkt er, sollte ein Baum doch vor einem weiß verhangenen Himmel besonders stark hervortreten, der Kontrast zwischen schwarz und weiß ist schließlich der stärkste Hell-Dunkel-Kontrast, den es gibt. An diesem Tag aber hat er einen blätterlosen Baum vor strahlend blauem Himmel fotografiert. Er ist überrascht, wie gut dieser Kontrast funktioniert. Nicht der Helligkeitsunterschied ist entscheidend, denkt er, sondern die ästhetische Qualität, die sich aus dem Zwischenspiel von schwarz und blau ergibt. Glücklicherweise gibt es keine solche Koalition, kommt es ihm in den Sinn.

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Molch

Als sie im Garten eine Mauer bauen, wird ein Bergmolchweibchen entdeckt. Herr Nipp nimmt es vorsichtig in die Hand und setzt das träge Tier mit dem Schwanz voran in den Teich, so dass der Kopf aus dem Wasser ragt. Nach einiger Zeit, hat sich das recht ausgetrocknete Wesen von selbst ganz ins Wasser begeben und nur eine Stunde später bewerben sich drei blauschwarze Männchen mit schwarz gelbem Rückenstrich und rotem Bauch um die Dame. “ Die hält sich einen ganzen Hatem“, meint die Hausmitbewohnerin lakonisch.

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Tattoo

Dieser Tage hat sich Herr Nipp bei der Gartenarbeit versehentlich einen Schnitt im Arm zugefügt. Nicht wegen der falschen Anwendung eines Werkzeuges, sondern aufgrund einer Scherbe, die eine in den Vorgarten geworfene Flasche dort positioniert hatte, musste er sich also versorgen. Da das Blut dunkelrot lief, hatte er jetzt keine Angst, nur eine Vene, ging in aller Ruhe ins Badezimmer, holte den Verbandskasten aus dem Schrank, linke Seite hinter dem vierteiligen Spiegel bewahrt er alles auf, was er für etwaige Verletzungen oder Blasen oder was auch immer gebraucht. Neben Verbandszeug auch sterile Pflaster, Desinfektionsspray, Pinzette, Schere und was eben so alles benötigt wird. Selbst ein Verhitzungsgerät gegen Insektenstiche jeglicher Art, eine Zeckenkarte und ein Einmalrasierer finden sich dort. Man kann sich ja kaum vorstellen, was so alles bei der Gartenarbeit oder im Wald passieren kann. Und Insektenstiche hatte er im vergangenen Jahr zuhauf. Beim Untersuchen der Wunde am rechten Arm, ob sich dort irgendwelcher Schmutz in die aufgeritzte Haut geschoben hat, oder andere Fremdkörper wie etwa Splitter dort verblieben sind fällt ihm etwas anderes auf, das er fast völlig vergessen, man kann sagen, aktiv verdrängt hatte. Insgesamt fünf blaue Punkte bilden zwischen den zwei deutlich heraustretenden Sehnen des Unterarms ein winziges Kreuz. Als Kind hatte er mithilfe einer Stecknadel und Wasserfarbe aus Unglauben, dass das Konsequenzen für das gesamte Leben haben könne, ein Kreuz gestochen. Sozusagen die einfachste Form des Tattoos überhaupt. Auch nach fast fünfzig Jahren scheint sich das Bild erhalten zu haben. Darum prüfe, denkt er bei sich, was man sich in die Haut stechen lasse.

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Märchenerzählerin

Mit riesigen Augen erzählt die ihm völlig unbekannte Frau einer ganzen Bande von Kindern ihre Märchen. Völlig gebannt schauen und hören die Kinder, die vielleicht nächstes Jahr nicht mehr so da sitzen würden, zu. Sie erzählt ohne Buch und manchmal baut sie offenbar Dinge ein, die ihr bei den Kindern auffallen. Sie zeigt auch immer irgendwelche Gegenstände, die mit den Märchen zu tun haben. Eine Flasche, in der angeblich die Träume einer Prinzessin sind, eine Kiste mit den gläsernen Tränen einer anderen Königstochter. Wer weiß schon, was davon wahr ist, denkt Herr Nipp, er würde gerne daran glauben.

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