Richtungsweisend

Draußen pladdert der Regen auf den Garten, der Teich brodelt, als hätte jemand einen Tauchsieder hineingestellt. Es ist wirklich schön, das was herunter kommt, aber jetzt regnet es auch noch waagerecht, denkt er, als das Telefon klingelt. Ein Freund, er spricht die Wahrheit aus: „Endlich kommt mal was herunter, aber jetzt regnet es auch noch waagerecht.“ Wer beobachten kann, der sehe. In diesem Moment läutet die Türglocke, Herr Nipp öffnet, den Hörer in der Hand, eine Bekannte schüttelt den Schirm aus. „Bin trotzdem nass geworden. Klitschnass. Ist ja schön, dass mal was herunter kommt, aber jetzt regnet es auch noch waagerecht.“

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Bienenstock

Oben in seinem Esszimmer sitzt er am Frühstückstisch und schaut ausnahmsweise mal nicht zum Aquarium mit seinem Gewimmel aus Guppys und Moderlieschen, sondern in den Garten. Irgendeine Bewegung hat ihn irritiert. Die Katze ist gesprungen, vielleicht hat sie versucht, ein Blatt oder ein späte Libelle zu erhaschen, vielleicht auch einen Vogel, was sehr ärgerlich wäre. Sein Blick fällt beiläufig auf den Bienenstock, wo heute wahrscheinlich gar nichts los ist, weil es regnet und kalt ist. Dann braucht er auch nicht zu schauen, ob schon asiatische Wespen ihr Unwesen treiben. Nachmittags wird er heruntergehen zur Bienenbehausung und feststellen, dass dort mehrere Wespenleichen liegen. Die Katze hat offensichtlich ihr Werk getan.

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Räuberteller

Während der leidigen Coronazeit haben sie sich freitags zu dritt viert oder fünft getroffen. Dann gab es Fritten auf einem großen Holzbrett in der Mitte des Tisches und jeder konnte zugreifen wie es beliebte. Dazu gab es Majo und Herr Nipp hat meist „weißen und roten Quack'“ gemacht. Das erste mit Hilfe von Joghurt und Gewürzen, das zweite mit Tomatenmark, roter Konfitüre, Knoblauch und ebenfalls allerhand Gewürzen. Lecker. Sie haben viel geredet und manchmal auch getanzt. Eigentlich die einzige sinngebende Möglichkeit die sinnlose Kontaktsperrenzeit ohne ihre Lieblingskneipe, „Der Golem“, zu überbrücken. Gestern Abend saßen sie wieder da an seinem Tisch. Zu sechst, eine Freundinnem hat ihre Beziehungssituation verändert. Wieder wurde viel geredet, über Urlaube und Verkehr, die Deutschlandtour, die gerade in der eigenen Stadt halt machte, über das Veredeln von Apfelbäumen, auch über den Golem, der inzwischen geschlossen hat. Aber das wichtigste Element ist geblieben, der Räuberteller. Dieses Mal, der Kürze der Vorbereitung geschuldet, nur mit Majo. Hat trotzdem geschmeckt. Lecker.

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Wahrheiten

Beim Lesen in seiner Lieblingswochenzeitung, über die er sich auch manches Mal ärgert, stellt er sich die Frage nach Wahrheit. Dabei muss er an ein Gespräch denken, das er am vorigen Tag geführt hatte. Es ging um einen Text, der angezweifelt wurde. Ja, Zweifel sind wichtig, denn allzu oft werden Vermutungen und Weitergegebenes zur inneren Realität der Beteiligten. Was ist denn eigentlich Wahrheit? Er kann es nicht genau sagen. Letztlich wird es immer verschiedene davon geben, weil die Menschen ihre eigene Agenda mit sich herumtragen, weil sie Situationen eigentlich niemals völlig objektiv betrachten und bewerten können. Wer etwas sieht und erlebt, macht sich meist nicht bewusst, dass der gleiche Vorgang aus einer anderen Perspektive völlig anders aussieht. Zwischendurch geht er auf die Terrasse, sieht dort die Katze auf der türkisblauen Decke liegen, die er ihr dort ausgelegt hat und freut sich. Er tritt an sie heran, streichelt ihr über das weiche Fell und deckt sie zu. Seine Wahrheit ist, dass dieses Tier immer wieder zu Besuch kommt und das Streicheln genießt. Aus ihrer Sicht sieht es vielleicht ganz anders aus. Sie kommt, weil sie die Ruhe und das Ungestörtsein genießt und es eben einfach nur erträgt, wenn alle paar Stunden fremde Hände kurz mal eben über den Rücken und unter dem Kinn kraulen. Zwei Wahrheiten einer Situation. Vielleicht denkt sie aber auch gar nichts dabei und alles spielt sich nur im Kopf des Autors ab, der einen Erzähler entwickelt hat, der über das Leben einer fiktiven Figur schreibt und dabei vielleicht Anleihen an einer erlebten oder erzählten Realität nimmt. Was ist Wahrheit also! Vielleicht wird sie durch die schiere Anwesenheit von Texten geschaffen oder zumindest verändert. Wie sagte doch Searle – Wer spricht, der handelt. Anders gesagt: Wer schreibt, verändert die Realität der Welt.

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Lebensthemen

Zu Beginn des Abends hatten die Anwesenden bereits schwer wiegende Entscheidungen getroffen. Weder Religion, noch Sport, weder Autos noch Mode, weder Politik noch Kunst sollten thematisiert werden. Da sitzen sie und diskutieren, was denn das beste Lebensthema sei: „Träume (geht immer);
Entscheidungen treffen (schon schwieriger);
der Sinn des Lebens (klar, wenn nicht dieses, welches denn?);
Wer sind wir (wer und was wäre sicherlich noch besser);
Freunde (Uhr, ganz heißes Eisen);
Wie sieht meine Zukunft aus? (Derzeit kaum zu beantworten, ob der allgemeinen Situation);
Was braucht man für ein erfülltes Leben? (Das macht neugierig, was heißt dabei Erfüllung?);
Wahrheit (Schwer zu entscheiden, was wahrscheinlich ist.);
Sein oder nicht sein (Hamlet lässt grüßen.);
Traumata (Wann fangen die an und wenn, wieviele?);
Bestimmung (Wer bestimmt denn unseren möglichen Determinismus eigentlich);
Gibt es einen Plan? (Für heute noch nicht.);
Die Lösung über sich selbst oder das Universums? (Verstehe ich nicht, schon alleine sprachlich.);
Verschwende ich mein Leben oder mein Potential? (Du? Ja!);
Was macht das Leben aus? ( Wie ist die Frage gemeint?);
Gibt es freien Willen (…schon wieder dieser Determinismus…);
Wer bin ich? (…Und wenn ja, wieviele?);
Was passiert nach dem Tod? (Naja, Verbrennung, Maden…);
Hat das Universum einen Plan für jeden Menschen? (Hatten wir eben schon.)
Liebe (Das ist mal ein sehr weites Feld.);
Ist das Ziel vorgegeben? (Ich sag nur: Determinismus.);
Ist das gamze Leben ein Schauspiel? (Wichtiger wäre vielleicht: wer kann Schauspielen?)“
Ein langer Abend.
Und hinterher? Da rauchen ihnen die Köpfe. Und sie lächeln sich an.

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