tote Stadt

Dabei ist es noch gar nicht so spät. Es wird gerade mal acht, als er durch die Stadt läuft, die Schaufenster noch hell erleuchtet. Natürlich. Egal ob Energiekrise oder nicht, egal ob Erderwärmung, egal ob was auch immer. Die Reklame muss da sein, ob nun jemand durch die Stadt läuft oder nicht. In diesem Fall ist es eben Herr Nipp, der an den Schaufenstern vorbei eilt. Er hat an keinem der ausgestellten Produkte irgendein Interesse. Er war kurz bei seiner Bank, einer Sparkasse, um genau zu sein, und hat seine Schulden bezahlt. Finanzamt, Autoschrauber und der Schwarzgolddealer. Egal wieviel Geld er hat, eine Schallplatte sollte immer drin sein. Fehlkäufe inklusive. Ansonsten aber geht da niemand herum, es ist kalt und die Menschen sind wohl froh, dass sie drinnen hocken. Vor dem Fernseher oder Computer. Und er ist froh, dass ihm niemand über den Weg läuft. Dass da niemand ist, der mit ihm reden will, ihn anspricht, was sonst so oft passiert. Das Konto im Minus, da braucht er frische Luft in der Lunge und um den Kopf, da braucht er keine Gespräche, außerdem hatte er heute eine heftige Auseinandersetzung mit seinem Vorgesetzten, das reicht. Manchmal ist Herr Nipp einfach sehr dankbar, dass er in einer toten Stadt wohnt. Wo es keine Kneipen mehr gibt, da gibt es nachts auch keine Menschen.

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Gedichte

Er will nicht , kann nicht und wird nicht
kann die Sprache nicht bändigen
die Wörter nicht fassen
er liest sie nicht
liebt sie nicht

und doch

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Gedankenschuss

Kurz bevor er ins Bett will, der ganze Tag war mit Arbeit geprägt, ermüdender Arbeit, die er nicht so gerne macht, die aber gemacht werden muss, schießt ihm ein Gedanke ein, wahrscheinlich ähnlich der Milch bei einer jungen Mutter, die das Schreien des gerade geborenen Säuglings wahrnimmt. Er kann sich ebenso nicht dagegen wehren, es passiert und dann steht da dieser Satz, den er nicht versteht, der aber irgendwie wirkt wie eine Wahrheit, die aus der Zeit gefallen ist. Er hat ihn aufgeschrieben und jatzt kann er nicht mehr schlafen, denn darüber nachzudenken scheint sich zu lohnen: „Wenn nichts mehr da ist für etwas, ist gerade alles da für vieles oder alles.“

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Mögen

Er weiß nicht warum, aber es gibt Tage, an denen hat er einfach das Gefühl, niemand möge ihn. Niemand. Und das schmerzt an solchen Tagen natürlich, schmerzt so sehr, dass er am liebsten gar nicht mehr unter Leute gehen möchte. Tagelang könnte er sich dann im Zimmer einsperren, laut Musik hören und lesen. Aber aus dieser Zeit ist er ja eigentlich schon lange heraus, er pubertiert ja schließlich nicht mehr und als Erwachsener sollte man durchaus in der Lage sein, sich aus den unangenehmene Dingen des Lebens zu stellen und ihnen geradeaus in die Augen zu schauen. Dann weiß er wieder, nichts kann ihm irgendetwas. Und spätestens nach einigen Minuten setzt sich dann jemand zu ihm. Nicht weil er oder sie trösten will, die Person will immer selbst einen Rat oder Trost oder was auch immer.

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Umräumen

Bisher standen in seinem Schlafzimmer zwei Regale voller Bücher. Im Rahmen seiner Aktion „Leere Wohnung“ mussten die nun auch endlich weichen. Die meisten Bücher hat er verschenkt, einige konnte er auch in seiner kleinen Bibliothek unterbringen, die sich im ehemaligen Kaminzimmer befindet und den letzten Rest hat er ins öffentliche Regal in der Stadt gestellt. So oft hatte er sich bereits dort bedient, dass es nur fair scheint, wenn jetzt einige Bände dort untergebracht werden. Und tatsächlich gibt es ja Menschen, die sich am liebsten dort mit Lesestoff eindecken, auch weil es umsonst ist. Nun wirkt das Zimmer viel freier und offener. Nur sein Bett noch nicht, dort liegen die Papiere herum, die sich zwischen den Bücher fanden, die alten bezahlten Rechnungen, die Pläne und Briefe, eben all das, was man schnell mal eben irgendwo unterbringen muss. Er wird Tage gebrauchen, all das zu ordnen.

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