Kindesschwur

Hatten sie sich damals nicht geschworen, den Weg irgendwie zusammen zu meistern? Damals als kleine Jungs, nicht gerade in Lederhosen, aber doch irgendwie ganz kindlich im Glauben anders als die Erwachsenen zu sein. Als echte Freunde eben, die durch dick und dünn gehen. Gut, sie waren keine Kinder mehr, wenn man an das Alter denkt, sondern Jugendliche, aber im Blick zurück eben doch Kinder. Jetzt verspürt Herr Nipp nur noch Unvertrautheit oder pures Misstrauen und vor allem ist da die fehlende Bereitschaft des Hinnehmens jeglichen Patzers, jeglicher Meinung des Anderen. Die sichten auf diese Welt sind über die Jahrzehnte weit auseinander gedriftet, wie Eisschollen, die damals gebrochen sind. Sie haben sich letztlich aus den Augen und vor allem dem Verständnis verloren. Ja, sie treffen von Zeit zu Zeit den alten Freund von damals und sind doch keiner mehr. Und seien wir ehrlich, meist gehen sie sich aus dem Weg, im wissen des Schwurs.

Veröffentlicht unter Allgemein | Kommentare deaktiviert für Kindesschwur

Irgendwohin

Das Schlimmste ist ihm der Blick dieser augen manchmal. genau dieser Blick, der durch und durch geht. Er trifft ihn und scheint ihn zu durchdringen, wenn das überhaupt geht. Wie oft wurde in Romanen der absolute Kitsch dieser Situationen immer weider und vor allem immer wieder gleich dargestellt. Ein Bild, ein Abziehbild für schlechte liebesromane wahrscheinlich. Na, mal schauen, welche Bausteine fehlen uns denn jetzt eigentlich noch? Herr Nipp denkt so und muss lächeln, denn es gar nicht sein Herz, das da getroffen wird, zumindest fühlt er dort nichts. Das Herz soll auch lieber weiterhin seinen ihm eigenen Takt schlagen. Das weiß er soweit. Es ist etwas ganz Anderes, das er sich selbst eben nicht erklären kann. Und so entzuieht er sich ihm viel lieber. Auch im Bewusstsein des Selbstschutzes.

Veröffentlicht unter Allgemein | Kommentare deaktiviert für Irgendwohin

Im Leder

Auf dem Wohnzimmertisch liegt das dicke Portemonaie, nicht weil er so viel Geld darin hat. Er vergisst es einfach immer wieder, all die Quittungen heraus zu nehmen. Darum ist das Teil auch so speckig abgewetzt, obwohl es erst ein Jahr alt ist. Jetzt fällt es ihm auf und er macht sich daran aufzuräumen. Drei Einzahlungsbelege findet er, eine Quittung aus dem Sozialkaufhaus, in dem er gerne manchmal stöbert, zuweilen finden sich da schöne Sachen, eine weitere aus der Apotheke seines Vertrauens, er hat sich dort wohl Mundschutz und Lakritz gekauft. Das ist ja sowieso so eine Sache. Er liebt gutes Lakritz und in Apotheken gibt es manchmal richtig leckere Sorten und er weiß, wenn er eine Packung kauft und sie noch vor Ort öffnet, dann möchte die Apothekerin seines Vertrauens auch eines haben und sie bekommt es gerne. Ups, da ist ja auch der Bon aus dem Messergeschäft, den er letztlich gesucht hatte. Zwei fünf-Euro-Scheine, auf den einen hat jemand eine Zahlenfolge geschrieben, vielleicht eine Telefonnummer, wahrscheinlicher irgendwas anderes. Nicht fehlen darf eine Baumarktquittung. Jede Woche mindestens einmal ist er dort. Ja, auch noch eine zweite und dritte. Am Ende sind es insgesamt neun Stück. Irgendwas lässt sich dort immer finden. Irgendwas braucht er auch immer zum Reparieren. Eine vom Gartenzenter am anderen Ende des Städtchens, in dem es auch das dunkle Bier der Josefsbrauerei gibt, das er so gerne trinkt. Eine alte Spielquittung vom Lotto. Klar weiß er, dass es höchst unwahrscheinlich ist, jemals zu gewinnen, aber manchmal überkommt es ihn eben doch. Ein Eintrittsticket vom letzten Urlaub, man, das scheint schon so lange her zu sein. Erinnerungen ploppen auf wie instabile Blasen. War das eine schöne Zeit. Weitere Zahlungsbelege zeigen sich. Und ganz zum Schluss findet er einen inzwischen fast völlig verblichenen Zettel, den er sofort wieder einsteckt. Zwar wird er nie vergessen, was er vor einigen Jahren darauf notiert hat, aber er hütet ihn wie einen Schatz, weil dieser eine Halbsatz sein Leben mehr prägt, als jeder andere es könnte. „Unzufrieden, aber glücklich“

Veröffentlicht unter Allgemein | Kommentare deaktiviert für Im Leder

Nachtmusik

Er ist mal wieder aus einem seiner Träume aufgewacht. Keinem guten Traum, eher einem Alb, das weiß er in diesem Moment, auch dass es noch sehr früh sein muss. Doch worum es nun wirklich ging? Keine Ahnung, vielleicht ist das auch gar nicht so wichtig. Nun liegt er da, wach, das zählt, dreht sich von einer Seite auf die andere. Er findet nicht seine Position, um wieder einschlafen zu können, irgendwie stören immer wieder die Arme und natürlich das Aneinanderliegen der Beine, die Haare daran kitzeln. Vielleicht sollte er sie doch mal rasieren. Aber das nähme dann wohl kein Ende und seien wir ehrlich, eigentlich mag er meistens zumindest sogar die. In einer metrosexuellen Zeit, in der die Körper glatt zu sein haben. Aber genau das ist er nicht, nie gewesen, er will auch weiterhin zu seinen Ecken und Kanten und Dellen und Narben stehen – und eben auch den verbliebenen Haare. Seien wir ehrlich, was der Körper zu viel, das hat der Kopf zu wenig. Immer schon, in allen Bereichen, denkt er. Herr Nipp steht auf, geht ins Wohnzimmer, wo der der Ofen offenbar erloschen ist. Er zieht sich Hose und dicken Pullover an, so lässt es sich sitzen. Zu lesen hat Herr Nipp keine, aber auch so gar keine Lust. Zu Essen, zu trinken oder auf irgendwas anderes auch nicht. So zieht er seine Strümpfe und Schuhe an, die Jacke schnappt er sich, die er tags zuvor noch nachlässig über das Sofa geworfen hatte. Er steckt sich die beiden Stöpsel in die Ohren, die immer noch nicht drahtlos sind, lässt seine kleine Nachtmusik laufen, Stücke von Damon Albarn, von Blur auch und ähnlicher Musik, eine sehnsuchtsvolle Erinnerung an eine andere Zeit, die ihm irgendwie verloren ging. Dann stecken seine Füße auch schon in den Schuhen und er macht sich auf den Weg durch die nächtliche Stadt und plötzlich ist er glücklich, geht seine zehntausend Schritte, kehrt ganz zufrieden heim, ohne Ohrstöpsel jetzt, hört die ersten Vögel zwitschern, genießt die klare Morgenluft und weiß in diesem einzigarrtigen Zustand, dass er jetzt noch eine Stunde schlafen kann. Danke Damon, denkt der alte Mann.

Veröffentlicht unter Allgemein | Kommentare deaktiviert für Nachtmusik

Bedeutende Grenzen

Aber bedeuteten die Grenzen meiner Sprache die Grenzen meiner Welt, denkt Herr Nipp, wie könnte ich da das namenlose Neue überhaupt entdecken?

Veröffentlicht unter Allgemein | Kommentare deaktiviert für Bedeutende Grenzen