dunkel

Lass mich im Licht gehen, sagt sie, in der Dunkelheit verliere ich das Gleichgewicht und den Boden unter den Füßen. Herr Nipp lächelt, ja, das kennt er.

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antriebslos

Er sitzt auf seinem Sessel aus den sechziger Jahren, das Leder gibt immer noch diese ganze speziellen Töne von sich. Teilweise haben sie ihre Farbe ein wenig eingebüßt. Die Möbel seiner Wohnung haben schon viel mitgemacht und sozusagen gesehen. Und trotzdem sind sie noch heile. Manchmal müssen die Kissen aufgeschütteln werden, klar, aber das ist nicht so schlimm, findet er. Wichtig ist ihm diese etwas kühle Gemütlichkeit, ein besonderer Charme, dem er sich nicht entziehen kann. Ja, er hatte auch eine ganze Zeit in modernen Möbeln gelebt, die Zeit ist vorbei. Normalerweise findet er, dass dieses etwas alte und vielleicht auch angestaubte Kraft schenkt. Aber es gibt Tage, an denen bleibt er einfach gerne sitzen, macht nichts, schaut sich einen Film in der Videothek von Arte an oder hört eine Schallplatte. Er genießt diese träge Antriebslosigkeit und hat dann das Gefühl, er würde gerade seinen Akku aufladen.

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Bambus

„…kannst du mich eben wegbringen?“ „Draußen steht dein Fahrrad im Hof.“ „Och ne, kannst du mich nicht eben wegbringen? Ich komme eh schon zu spät.“ „Draußen steht ein Rad, das wartet auf dich. Das sind nur anderthalb Kilometer.“ „Man!“ „Du redest doch immer vom Umweltschutz, da heißt es, selber machen, da reicht es eben nicht, dass man alle Plastiksachen wegwirft und sich eine Zahnbürste aus Bambus kauft.“

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Ausräumen

Erst als er die Treppe erklimmt und das ist genau so gemeint, denn die ist steil und hat schmale Stufen, auf die gerade mal der halbe Fuß passt, stellt er fest, wie marode und alt dieses Bauwerk ist. Alles knartzt und irgendwie hat er das ungute Gefühl, dass die Stufen morsch sind und jeden Moment brechen könnten. Unten ist das Haus bis auf Weniges ausgeräumt, nicht gereinigt, aber leer. Die zweite Etage vermittelt einen ähnlichen Eindruck. Dabei haben bis vor kurzen hier Menschen gewohnt. Die sind ausgezogen, mussten wohl ausziehen, so genau weiß er das nicht. Wenige abgeschabte Möbel verlieren sich noch in den engen Zimmern, fast wie dahin gestellt, um zu zeigen, wie trostlos ein Leben hier gewesen sein muss. Ein Leben vor 150 Jahren mag das anders gesehen haben. Vielleicht wurden ja auch große Feste gefeiert, das kann Herr Nipp allerdings nicht wissen. Für ihn und seinen Freund ist auch hier nichts zu finden, was auf dem Trödelmarkt zu veräußern wäre.
Bevor jetzt weiter erzählt wird, muss gesagt werden, dass sich Erzähler wie Autorenteam von den Machenschaften des jungen Herr Nipp aus dem Jahren 1986 bis 1989 absolut distanzieren. Ein solches Verhalten, nämlich ungebeten in kurz vor dem Abriss stehende Häuser einzudringen und dort nach verwertbarem Kram zu schauen, kann nicht gutgeheißen werden. Wobei anzumerken wäre, dass es in erster Linie um Abenteuer und nicht um Profit ging. Im übrigen sei darauf verwiesen, dass diese Geschichten erstens vollkommen fiktiv sind, ihnen also ein biografischer Bezug fehlt und zweitens jegliche Handlung, sollte sie doch geschehen sein, das können wir ja wirklich nicht wissen, verjährt ist.
Der Freund greift sich einen der Stühle und prüft ihn fachmännisch mit Kennerblick. „Bugholz, meiner, der ist von Thonet.“ Herr Nipp kennt sich zu dieser Zeit weder mit Möbeln, noch mit echten Stilikonen aus. Er nimmt Dinge, die er für verkaufbar ansieht. So nimmt er die Wahl des Freundes ohne Wimpernzucken hin. Ist dann eben so. Im Gegenteil, er freut sich für den Begleiter. Auf dem Dachboden finden sie eine Menge unnützen Plunders, bei dem man sich fragen könnte, warum jemand das alles aufgehoben hat. Wahrscheinlich irgendwelche Sentimentalitäten, die von anderen Menschen nicht nachvollziehbar sind. Einige Vasen mit Sprung, verbogene Löffel, einen vermotteten Teppich und massenhaft Obstkisten aus sehr dünnem Holz. Ein Bekannter hatte ihm einst gesagt, nur arme und reiche Menschen leben in Massivholzmöbeln, die einen sehr teuer, die anderen aus Apfelsinenkisten gezimmert. Darüber nachdenkend sucht er nach seinem Schatz dieses Ausflugs. In den vergangenen Wochen und monaten hatten alle seine Bekannten die alten Abrisshäuser dieser Stadt nach und nach durchstöbert und manchmal auch Sachen für den großen Trödel auf dem Ring gefunden. Lampen, Bücher, Kram. Nur er war immer glücklos dabei gewesen. Zu langsam, zu oberflächlich oder zu wenig Ahnung vom Wert der Dinge. Heute sollte es aber endlich gelingen. Ganz versteckt in der Dachschräge sieht er etwas, ein Glas. Er bückt sich und kriecht dorthin, dass er dabei schmutzig wird, nimmt er in Kauf. Es stellt sich nicht nur als Glas heraus, ein altes Weckglas voller Reichspfennigeund zweier Notgeldmünzen aus seiner Stadt. Das nimmt er mit. Auch wenn er keine Ahnung davon hat, weiß er, Sammler finden sich überall.

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Natur

Wäre Mutter Natur ein Ökonom, dann hätte sie eine Pflanze hervorgebracht, die überall siedeln kann und ein Tier, das überall leben kann. Einen Pilz vielleicht auch noch. Jeweils eine Art. Aber diese Langeweile erträgt sie nicht, sie ist verschwenderisch, sie liebt Vielfalt, sie liebt die Ästhetik. Und dass es den Ökonom gibt, war ein Versehen.

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