verloren

Sie haben einen Ohrring verloren, eben als sie sich verstecken mussten. Nach kurzer Suche geben sie auf. „Ist nicht so wichtig.“ Was soll es denn, die Eltern haben es ja. Herr Nipp und eine Kollegin lassen sich die ungefähre Stelle zeigen und werden bereits nach weniger als einer Minute fündig. „Das wär aber nicht nötig gewesen.“ „Wenn ihr so mit Schmuck umgeht, was ist dann mit anderen Recourcen?“

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Papier

Schon seit vier Stunden sitzt er in seiner kleinen Bibliothek. Er liest keine literarischen Texten, sondern ist dabei auszusortieren. Einige alte Aktenordner sind der Notwendigkeit, Platz zu schaffen, schon zum Opfer gefallen. Papiere wurden konsequent vernichtet, was ihm zuweilen schwerfällt. Gerade liest er eine Notiz und eine Vergangenheitszeitkapsel tut sich auf. Diesen vorwitzigen Zettel wird er behalten: „Bleib unerwartet.“

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Lichtlein

„Immer wenn du meinst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her.“ So oder ähnlich hatte seine Oma es damals mehrfach von sich gegeben, vielleicht war es auch jemand anders, egal. Wir wissen ja, dass Geschichte und Erinnerung Konstrukte sind, die täglich neu gebaut werden. Alles Baubare kann auch niedergerissen werden. Selbst in der Vergangenheit kann sich viel verändern, nachträglich wohlgemerkt. Herr Nipp kennt dies zu genüge aus Erzählungen. Besonders eingeschworene Gemeinschaften wie Jäger, Motorradclubs, Künstler, Pomologen und Literaten sind anfällig für regelmäßige Euphemismen und hyperbolisches Erzählen. Anders gesagt kann jeder Pups zum hervorragenden Parfum hochstilisiert werden, man muss ihm nur Zeit geben. Da werden Wahrheiten produziert um ihrer Produktion willen und um den Erzähler in möglichst gutem Licht dastehen zu lassen. Der Spruch ansich über das Lichtlein allerdings hat tiefe Wurzeln in Herrn Nipp geschlagen und heute weiß er, dass tunlichst nichts vor dem Ende der Frist aufgegeben werden darf.
Dieser Tage hat er alle Zusagen für Material für ein Projekt mit jungen Menschen zusammenstreichen müssen. Plötzlich stand er sozusagen nackt da. Die Ausreden waren mannigfaltig von „Ach, da habe ich jetzt gar nicht mehr dran gedacht. Unser Nachbar hat Kaminholz aus dem Balken gemacht.“ über „Ne, den Container mit Altholz haben wir jetzt entsorgt.“ bis „Mein Mann möchte das Holz doch nicht abgeben.“ Und dann kommen an einem Tag plötzlich zwei gute Nachrichten herein und er hat alles Gebrauchte sozusagen auf dem Präsentierteller. Sein Glücksgefühl kann sich kaum jemand ausmalen. „Immer wenn du meinst, es geht nix mehr, kommt irgendwo ein Balken her.“

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Über überschreiben

Nichts will so, wie es soll, meist kommt ungefragt etwas anderes heraus. Und wenn er die bessere Alternative gerne hätte, versteckt und verweigert sie sich, bleibt in der Deckung und harrt dem nicht entdeckt Werden. Verzweifelt versucht er vergebens eine Formulierung zu finden, die der blassen Langeweile des Gemeinplatzes fröhlich schillernd zu entkommen weiß, sozusagen dem Leben unter die Röcke schaut. Kein Lichtblitz oder ein solcher des Geistes, der freiwillig Hilfestellung leisten könnte. Herr Nipp müht sich und bemüht Synonyme, ersetzt einzelne Worte, sucht Metaphern und sonstige Bilder, statt alles neu zu denken. Letztlich kommt er bei der ersten Variante wieder an und muss sich nach allem Überschreiben verblüfft eingestehen, dieser erste Entwurf eines Satzes hatte ohne Umschweife alles in sich, was zu sagen ist. Der Rest wäre hohles Geschwurbel, hübsch und inhaltsleer.

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Wahrheit

Dieser Kanal ist nicht der Nabel der Welt, hier werden keine Transfergeschäfte des internationalen Menschenhandels besprochen, auch Rezepte und sonstige Katastrophen des allgemeinen Interesses sucht ein Leser hier vergebens. Politik? Fehlanzeige, wer nicht zwischen den Zeilen lesen kann. Sport! Herr Nipp verweigert sich konsequent der Veröffentlichung seiner Aktivitäten. Wetter aber wenigstens? Das nimmt er hin, reicht doch. All die großen Abenteuer machen andere. Herr Nipp nippt eben, haut nicht auf die Pauke, sondern liebt die leise säuselnden Töne, die sublime Ironie und den Selbstzweifel. Eigentlich schade, denkt der Erzähler, was echt Krasses wäre schon toll. Aber da lächelt der Protagonist verschmitzt, das große, fantastische, verrückte, hippe Leben überlässt er denen, die es brauchen, sein größtes Erlebnis des Tages war die Katze, die neben ihm eingeschlafen ist.

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