Marian (ein Romananfang) I

Die Probleme sind anders, als sie auf den ersten Blick wirken. Soviel muss klar sein. Mir ist das schon immer mehr als deutlich. Natürlich bin ich für die meisten Schwierigkeiten, die ich habe, selbst verantwortlich. Aber wer will das schon zugeben. Zuwenig Zeit? Zocken und Filmchen glotzen sind die Ursache, nicht meine vielen Dinge, die zu tun vorgegeben wird. Scheiß Schulabschluss? Schlechte Lehrer waren es wohl nicht, sondern eine grundlegende Lernfaulheit und ständiges Fehlen. Fehlende Freunde? Fiese Typen in meiner Gegend sind daran auch nicht Schuld, sondern meine Unfähigkeit, mit anderen Kontakt zu halten. Selbst meine süße Freundin, in die ich immer noch schwer verliebt bin, habe ich mit meiner Art für immer verprellt. Letzte Woche hat sie Schluss gemacht.
Ja, hier im Tagebuch kann ich das zugeben, es wird sicher niemand lesen, denn ich schreibe es ja im Netz unter einem Pseudonym. Andererseits muss auch mal gesagt werden, woher das kommt. Erklärungen könnte vielleicht liefern, dass meine Eltern sich um alles kümmern, um ständig neue Klamotten, ein tolles Haus, alles muss einen gewissen Standard haben, sogar Spielzeug. Nur eines kommt wirklich zu kurz, Liebe. Sie haben ihre Familie aufgezogen wie ein Geschäft, dementsprechend auch das Verhältnis zu meinen Schwestern und mir. Die beiden stört das nicht besonders, die hatten ja sich. Eineiige Zwillinge. Die sind sich genug, ich stehe da doch immer außen vor. Also bin ich – na sagen wir mal – seltsam geworden. Meine Lehrer sagen immer: „Ein schwieriger Fall.“ Selbst mein Lieblingslehrer hat mich schlussendlich aufgegeben, dabei hatte er sich anfangs echt engagiert um mich gekümmert. Letztlich werde ich wohl ins Asoziale abgleiten. Nein, eine Kariere im positiven Sinne wird wohl nicht der Weg sein. Um Erfinder zu werden, fehlt einfach jeglicher kreativer Funke und dementsprechend auch die Genialität. Am ehesten stehen da zwei Wege offen: Kriminalität oder Sozialhilfe. Ach, es ist doch alles echt unfair. Und all diese Probleme soll ein vierzehnjährige Junge ganz allein bewältigen.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.