Sonntag

Herr Nipp, er ist wie immer früh aufgewacht, schlendert ins Wohnzimmer, wird dort die Wäsche vom Trockner nehmen, auffalten und in den Schrank legen. Nein, er bügelt nicht, sieht das als Verschwendung von Lebenszeit und Energie. Lieber läuft er mit seinem gewissen Knitterlook durch die Lande, bisher hat es ihm noch nicht geschadet. Außerdem passt das ganz gut zur Faltung seines Gesichts. Klar kann er verstehen, dass einige Menschen gebügelte Kleidung gebrauchen, er jedoch nicht. Er wird den Trockner zusammenklappen und in den Keller bringen. Je nach Temperatur wird er den Ofen bestücken und feuern. Eine Schallplatte folgt sicherlich, oft etwas poppiges oder auch beizeiten klassisches, wenn ihm gerade danach ist. Bach vielleicht oder Mozarts Requiem. Nein, jetzt stellt er sich nicht schon wieder die Frage, warum gerade diese Komponisten als klassische Musik gehandelt werden, darüber hat er sich schon viel zu oft amüsiert. Kurz vor halb neun verlässt er das Haus das erste Mal, da ist der Frühstückstisch bereits gedeckt. Brötchen. Um halb wird ein Freund erwartet, es wird ein Frühstück folgen, manchmal sitzt auch einer der Söhne dabei. Ein ruhiges, ein langes Frühstück mit vielen Worten, Gesprächen mit Themen, die auf oder unter den Fingernägeln brennen. Man sagt so schön über Gott und die Welt und tatsächlich finden sie in allen Aspekten der Kultur, der Politik, der Natur und der Religion ihre Interessenpunkte, nicht immer fundiert, dann wird herzhaft gelacht, aber meist engagiert. Vor allem von gegenseitigem Respekt geprägt. Irgendwann ist der Punkt des Aufbruchs erreicht, dann folgt ein Spaziergang. Ein bis drei Stunden. Der Freund nennt das Heimatkunde. Und wahrscheinlich wird Herr Nipp auch noch etwas schreiben. Ganz kurze Textentwürfe, die liegenbleiben und niemals ausgeführt werden. Das ist ihm zu anstrengend.

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