Beobachtungen III

Noch vor einigen Jahren besuchte Herr Nipp alle zwei Jahre die Mainzer Minipressen Messe. In zwei großen Zelten direkt neben dem Rathaus am Fluss untergebracht stellten dort kleine und kleinste Verlage ihre Werke vor. Dort gab es wirklich Verrückte, Idealisten und Missionare, Dadaisten wie Karl Riha, da konnte man Künstler, Schriftsteller und Verleger ganz persönlich kennen lernen und abends auch noch mit diesen in einem Lokal essen und trinken gehen. Außerdem waren dort Bücher zu finden, die mit absoluter Sicherheit niemals den Weg ins Standardprogramm einer Buchhandlung finden würden. Neben politischen Beiträgen waren Kunst und Esotherik zu finden, Poetisches, Lyrisches und Abstruses, Quatsch und richtig gute Comics, die in kleinsten Auflagen gedruckt wurden. Dort hatte Herr Nipp auch Reinhard Kleist kennen gelernt, der später mit seiner Graphiknovel über Johnny Cash bekannt wurde. Damals versuchte er einen Comic , „How Lovecraft saved the world“, der in einer 100er Auflage im Siebdruckverfahren gedruckt worden war, an die Frau und den Mann zu bringen. Herr Nipp hatte sich einen davon gekauft, damals für den unglaublichen Preis von 70,- DM. Das war 1993 gewesen, also kurz nach der Wiedervereinigung, dementsprechend waren dort auch unabhängige Verlage aus Ostdeutschland zu finden, zum Beispiel ein gewisser H. Prautsch, der Almanache zu großen Dichtern herausgab, die mit einiger Sicherheit auch nicht gerade viele Käufer fanden. Immerhin gab es immer eine ganze Reihe von Künstlern mit ihren Künstlerbüchern und Grafiken, ein spannendes Umfeld. Herr Nipp verbrachte dann immer einige Tage in Mainz, ging zu den verschiedenen Veranstaltungen und Lesungen, zu Ausstellungen und eben zur Messe selbst. Er schlief dann im Auto, duschte früh morgens im Rathaus und war glücklich dazu zu gehören. Als Student ein tolles Erlebnis. Und ganz nebenbei erwarb er dort den Grundstock seiner eigenen Buchsammlung und das auch noch für unschlagbare Preise, weil viele Kleinstverlage dort auch Fehldrucke verscherbelten, teilweise zu Wahnsinnspreisen. So konnte er drei Bücher des französichen Künstlers Mattrat erwerben, die in 39er Auflage gedruckt worden waren. Ein riesiges Buch des Kölner Druckers Daniel Hees hatte er in diesem Jahr alle drei Tage im Blick gehabt. Eine fantastische Arbeit, handgedruckt aus ausgeschnittenen Baumstämmen. Aber 1800,- Mark? Für ihn nicht machbar. Am letzten Tag, als alle ihre Sachen packten zum Abreisen, war dieses Buch dann auch noch geklaut worden. Sehr ärgerlich, denn davon gab es gerade einmal 6 Exemplare. Irgendwie hatte in dem ganzen Gewusel irgendjemand im Vorbeigehen das Werk irgendwann einfach mitgenommen und war unerkannt entkommen. Und das ist richtig Sch…

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