Frost

Als Herr Nipp diesen Morgen vor die Tür tritt, muss er feststellen, dass der klare Himmel der Nacht alles mit einer hauchdünnen Frostschicht überzogen hat. Das Licht wirkt milder und klarer als an frostfreien Tagen. Die Nachbarin meint mit faltig sympatischem Lächeln, endlich sei der Winter da. In zehn Jahren sehe ich wohl auch so aus, denkt er. In Würde gealtert, glücklich so zu sein. Wenn denn nichts dazwischen kommt. Auf dem Weg zum nahe gelegenen Bäcker wird er von einem kleinen Jungen angesprochen, der ihm mit Brötchentüte entgegen kommt. „Schön kalt, nicht?“ „Ja, endlich, ist das nicht toll? Und wenn du genau hinschaust, dann siehst du ganz viele Eisblüten hier auf den Blätträndern.“ Er zeigt auf die Kirschlorbeerhecke, an der Ecke, kurz bevor man die Straße zum Bäcker überqueren muss. Der Junge schaut hin und bleibt dort völlig in sich versunken stehen. Von Bäcker zurückkommend sieht Herr Nipp, dass der Junge immer noch da steht und alles sehr genau betrachtet. Ein Glückgefühl durchzuckt unseren Alltagshelden. Es gibt kaum etwas Schöneres, als ein Kind dahin zu bringen, zum Beobachter zu werden.
Zu Hause setzt er den Kaffeekocher auf den Kaminofen Irondog, der dafür extra eine Platte hat, legt eine Platte von Nick Cave, “ Push the sky away“. auf und geht in den Garten, um neues Holz aus dem Schuppen zu holen und auf diesem Weg auch gleich die Vögel zu füttern, die schon auf dem Zweigen der Walnuss sitzen und warten. Und dort unten in einem seiner Wildblumenbeete, die nur teilweise Wildblumen enthalten, aber viele bunte Blumen das ganze Jahr über gezeigt haben, entdeckt er etwas wunderbares. Einige seiner Cosmeen sind völlig vom Frost überzuckert und strahlen in einem milden Rosa dem Winter entgegen.

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