Als er sich auf seinen angestammten Platz da im Wald setzt, weiß er wohl, dass sich das Wetter nicht halten wird. Aber so schlimm wird es schon nicht werden, denkt Herr Nipp. Diese Zeit der Unsicherheit mag er besonders. Wenn die Winde beginnen, die von einigen so bezeichneten Geister der Luft an den Bäumen rütteln. Der Wind, der Wind, das himmlische Kind, heißt es in einem Märchen. Dieser Tage allerdings wehen dabei viele grüne Nadeln durch die Luft, die normalerweise in Tagen des Borkenkäferbefalls leise vor sich hinrieseln. Da können sie dann schon mal durch die bewegten Lüfte beschleunigt zu winzigen Geschossen werden. Zwei mal schon ist ihm eine Nadel in der Haut stecken geblieben. Nicht besonders schwerzhaft, zugegeben, aber eben doch unangenehm. Er hat seinen Ort eigentlich gut gewählt, sitzt unter Buchen, die normalerweise alles abhalten, sogar leichtes Nieseln. Am Tag zuvor hatte er noch mit einem Freund telefoniert, der ihn halb ernst, halb spaßhaft aufgefordert hatte, Regentänze für regelmäßige Niederschläge zu machen, weil es sonst in der Landwirtschaft schwierig würde. Tatsächlich hat Herr Nipp noch in der gleichen Stunde eine wunderbare alte Platte mit durchaus tanzbarer Musik aufgelegt, die auch noch mitsingbar erschien. Violent Femmes. “ I hear the rain – I hear the rain- I hear the rain. Got to kill the pain. I hear the rain – I hear the rain – I hear the rain. Got to kill the pain.“ Allein schon die Bassläufe sind phänomenal. Tatsächlich hatte er auch die Rollläden heruntergelassen, eine Flasche Bier geöffnet und sich der Musik zunächst stehend, dann mit halbwegs rhythmischen Bewegungen hingegeben. Ganz versunken, mitsingend von Zeit zu Zeit. Dann war einer der Miotbewohner hinein gekommen, hatte ganz verwundert vor ihm gestanden und gefragt: „Was machst du denn hier, das sieht ja sehr seltsam aus? Ich habe dich noch nie Tanzen sehen.“ Herr Nipp hatte erklärt, dass er aufgefordert worden sei, einen Regentanz zu machen. Er hatte weiterhin das Gegenüber ebenso aufgefordert, mit zu tanzen, damit es auch funktioniere, was dieser allerdings mit verschämten Grinsen ablehnte. Nun scheint es jedenfalls, als habe der körperliche Einsatz gefruchtet. Das leichte Tröpfeln nimmt langsam zu und innerhalb einer halben Stunde hat sich daraus ein veritabler Landregen entwickelt. Endlich Regen, vielleicht hilft er den Landwirten, vielleicht hilft er, den Rest des Waldes doch noch retten. Herr Nipp zieht sich die Kapuze tiefer in die Stirn, denn er hat das Gefühl, dass die Tropfen fast waagerecht fliegen. Jeder fünfte ein Treffer in die Augen. Vor ihm scheint sich der Weg aufzulösen, die wieder hoch spritzenden Tropfen erzeugen ein Bild, das vermuten lässt, es gäbe keinen sicheren Halt, sondern ein Zwischending von gasförmig und flüssig. Hat er sich allerdings einmal an diesen Zustand gewöhnt, ist auch das sehr schön. Die Elemente am eigenen Körper zu spüren und plötzlich kann er sogar verstehen, was Menschen in die extremen klimatischen Zonen dieses Planeten zieht. Dort spürt man das Leben ganz aktiv. Und so nimmt er absichtlich den falschen Weg, der nicht direkt nach Hause führt. Dort wartet niemand, warum also sollte er diesen Zustand nicht auch genießen. Und tatsächlich entwickelt sein Gang einen ganz absonderlichen Rhythmus, wie kürzlich erst daheim, als würde er zu einer nur ihm bekannten Melodie den Regen tanzen.
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