Quersummen

Ganz nebenbei beim Essen hat er über Quersummen nachgedacht. Da Herr Nipp kein Mathematiker ist, entwickelt sich dieses Nachdenken natürlich völlig unwissenschaftlich. Eine gewisse Nähe zum Empirismus ist vielleicht nicht von der Hand zu weisen. Es ist beobachtend, mehr nicht.
Angefangen hat es damit, dass eine Freundin 50 Jahre alt geworden ist. Ja, er hatte mal wieder das Datum vergessen und nicht pünktlich gratuliert. So geht es ihm immer wieder, auch bei zwei anderen Freundinnen und einigen Freunden hat er vor einiger Zeit nicht pünktlich aufgesucht oder angerufen. Auch da ging es teilweise um runde Geburtstage. Damit muss er fertig werden. Grämend. Und seine Freunde auch. Es ist wirklich nicht böse gemeint. Es ist gar nicht gemeint, weil er Daten einfach immer vergisst. Wenn er sich auch vieles andere merkt, Daten nicht. Vielleicht auch, weil ihm selber Geburtstage nicht so wichtig sind. Als er nach dem ersten großen Unfall damals als Kind vor dem Richter stand, wusste er seinen eigenen Geburtstag nicht und der Richter hatte sich über ihn lustig gemacht. Eine Wunde, die neben den vielen Narben geblieben ist. Es wäre doch viel schöner, wenn man keinen Geburtstag hätte, dann würde man auch nicht älter, zumindest auf dem Papier. Und während er gerade einen Schluck Kaffee getrunken hatte, begann er zu summen, quer zu summen. Sehr quer. Sehr bewusst. Herr Nipp musste unwillkürlich darüber nachdenken, wie oft die Betreffende schon die Quersumme 5 im Leben hatte, wie oft sie diese noch haben wird. Das Ergebnis ist erschreckend. 5, 14, 23, 32, 41 und heute 50. Sechs mal schon, alle neun Jahre und das nächste Mal? Mit 104, also in 54 Jahren und das hat die Quersumme 9. Ob sie auch noch ein achtes Mal diese Quersumme erleben wird, ist unwahrscheinlich, aber möglich: 113.
Wie es weiterginge, wenn wir unsterblich wären? 122, 131, 140, dann ein Sprung 203, 212, 221, 230, der Sprung wird größer. 302, 311, 320 und wieder um zehn größer: 401, 410 und dann 500. Ab da springt der Wert nicht mehr um Zig, sondern um Hunderte: 1004, 1013, 1022, 1031, 1040, 1103, 1112, 1121, 1130, 1202, 1211, 1220, 1301, 1310, 1400, 2003, 2012, 2021, immer entdeckt er, dass bei den kleinen Schritten die Erhöhung um 9 stattfindet. 2102, 2111, 2120, 2201, 2210, 2300, 3002, 3011, 3020, 3101, 3110, 3200, 4001, 4010, 4100, 5000. Wer also 55 mal die 5 als Quersumme haben möchte, muss schon 5000 Jahre alt werden. Das ist beachtlich. In Tagen berechnet, wären das dann schon weniger Jahre. Mit dem 50. Geburtstag lebt man in der Regel 18262 Tage, also 12 Schaltjahre und 38 normale Jahre. Es sei denn, man ist in einem Schaltjahr geboren oder eines danach, dann sind es 18263 Tage. Da kann der Jubilar dann auch noch ein paar mal häufiger die 5 als Quersumme haben, nämlich 88 mal. Und seien wir ehrlich, dann ist es wirklich egal. Denn egal ist 88.

(Sollte sich Herr Nipp vertan haben, melde sich die geneigte Leserin, der empörte Leser bitte. In diesem Fall wird diese Geschichte, die eigentlich auch gar keine ist, sondern sozusagen eine öffentliche Entschuldigung an alle, die Herr Nipp jemals am Geburtstag vergessen hat, sofort einer Löschprüfung unterzogen, die allerdings in jedem Fall ergeben wird, dass auch das Vertun im Grunde genommen egal ist. Und mal ehrlich, Geschichten sind keine Wahrheiten, sondern Fiktionen. Ebenso wie Statistiken nicht die Wahrheit abbilden, sondern die Realität in Zahlen zu fassen suchen. Aber das wissen LeserX natürlich schon längst. Hoffentlich.)

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