Nach längerer Überlegung hat Herr Nipp sich nun endlich dazu entschieden, wieder ein neues Fahrrad zu kaufen. Das letzte war ihm leider gestohlen worden. Ärgerlich. Ärgerlich vor allem, weil er vermutet, wer das blaue Mountainbike genommen hat. Letztlich aber kann er dies natürlich nicht beweisen. Er hat weder die Nummer notiert, noch sich einen Tracker im Rahmen eingebaut. Aber derjenige, von dem er glaubt, dass er irgendwie beteiligt ist, fährt seit dem Diebstahl – oder zumindest einige Tage später – mit einem Rad herum, dass von der Form her genauso aussieht. Nur befindet sich keine blaue Farbe mehr auf dem Rahmen. Alles entfernt. Glänzendes Aluminium ziert das Fahrgerät. In solchen Momenten denkt er immer, dass das nunmal passieren kann. Offensichtlich brauchen Menschen eben Fortbewegungsmittel und nicht jeder kann sie bezahlen, vor allem dann, wenn sie noch nie gearbeitet haben. Aber das ist vielleicht auch nur ein Vorurteil. Je häufiger er drüber nachdenkt, desto mehr verstrickt er sich. Also lieber sein lassen. Das kann nicht gut gehen.
Jedenfalls steht er nach langer Entscheidungszeit im Radladen. Der erste Versuch, in einen Laden zu kommen, war leider gescheitert. Die Menschen standen dort Schlange, aber es wurden nur wenige eingelassen, von wegen Abstand halten gegen Infektionen. Dort waren die Verkäufer in intensive Verkaufs- oder Beratungsgespräche vertieft und Herr Nipp hatte nach einer viertel Stunde Warten entschieden, einen anderen Laden zu finden. In der Nachbarstadt gleich der erste Laden ein Erfolg. Kein Kunde weit und breit. Er schreitet die reihen ab und schnell hat er sich entschieden. Ein graues Rad, das wirklich toll aussieht. Der Preis ist auch vertretbar, Eigentlich braucht er niemanden mehr, der ihn berät. Da kommt die Verkäuferin. „Kann ich ihnen helfen?“ „Ja, also nein, eigentlich habe ich mich schon entschieden. Das da gefällt mir ganz gut.“ Er zeigt auf das Rad, ein 29er, dass ihm auch groß genug erscheint. Eigentlich, denkt er, muss es nur noch fahrbereit gemacht werden. Eigentlich muss er nur noch zahlen und wird es dann in den Bulli legen, nach Hause fahren und auf gutes Wetter warten. Eigentlich.
„Ich muss mich ja entschuldigen, wissen Sie. Wir sind ja nur ein kleiner Fahrradladen und haben uns auf E-Bikes spezialisiert. Alle gewöhnlichen, die wir hier haben, sind ja nicht so hoch qualitativ. Eher einfache Ausführungen mit nicht ganz so guten Gangschaltungen und die Bremsen sind für drei Finger, sollten besser für zwei Finger sein.“ So und so ähnlich geht das Gespräch weiter. Die Dame erläutert ausführlich , was alles an diesem Rad nicht so gut ist. Herr Nipp ist verwirrt. Aha, und dafür soll er auch noch Geld ausgeben? Nach einer viertel Stunde negativer Erläuterungen will er das Rad schon fast gar nicht mehr kaufen, so madig hat sie ihm das Rollgerät gemacht. Mist. Immerhin weiß er jetzt, warum hier keine weiteren Kunden sind. Die wollen einfach keine Räder verkaufen, zumindest keine Räder ohne Elektroantrieb. Die Verkäuferin wurmt es einfach, wenn ein Kunde nicht ein solches haben möchte, sondern sie stattdessen ein „einfaches Bike“ erläutern und dann auch noch verkaufen muss.
Aber dann hebt er den Kopf, guckt ihr gerade in die Augen. Hebt seine Stimme, festigt sie und sagt ganz mutig: „Egal wie schlecht das Rad ist, es gefällt mir. Würden Sie es mir bitte trotz allem verkaufen, was Sie dagegen vorgebracht haben? Bitte!“
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