Rasen oder Wiese?

Ganz stolz hat er einigen Freunden gezeigt, was so alles in seiner Wiese wächst. Tatsächlich wenig Gras, das hält Herr Nipp für nicht ganz so wichtig. Eigentlich reicht es ihm, wenn es nicht mehr als 40 % ausmacht, schließlich stört es seiner Meinung nach die vielen anderen Pflanzen im Wuchs. Warum so viele Arten sein Grundstück bevölkern, ist ihm ganz logisch, weil er es zulässt, aber er muss auch ganz ehrlich zugeben, dass er sich immer wieder Samen mitbringen lässt, die in Töpfen vorgezogen und dann ausgesiedelt werden. Teilweise beherbergt diese kleine grüne Wildbienenoase einige Kräuter, über die sich ordentliche Gartenbesitzer ordentlich ärgern würden, schließlich sollte doch Giersch oder der böse böse Gundermann aktiv bekämpft werden. Möglichst mit dem richtigen Gift, selektiv und effektiv. Herr Nipp kann sich allerdings ganz herzlich daran erfreuen, erntet regelmäßig frische Triebe und nutzt sie für Tees und Suppen, für Pesto und Gemüse. Seine Freunde wundern sich, was Herr Nipp sich so während der Gartenführung alles mit offensichtlichem Genuss in den Mund steckt. Sie ahmen ihn mit Kenntnis heuchelndem Gesicht nach, müssen tatsächlich feststellen, dass der Gundermann sie ein wenig an Petersilie erinnert, Bärlauch und Knoblauchsrauke an Knoblauch, dass die Brennesseln tatsächlich leicht nussig schmecken, der Giersch ein würziges Gemüse darstellt und so gehen sie ein Kraut nach dem nächsten durch. aus dem Garten nebenan riecht es derweil nach fieser Chemie, die Dame dort spritzt zum wiederholten Mal in diesem noch nicht lange währenden Frühjahr ihren Rasen mit irgendeiner Chemikalie ab. Man zieht sich in eine andere Ecke des Gartens zurück, wo Lärchensporn, Schlüsselblumen, Scilla, Leberblümchen und noch so einige Frühblüher der Dinge harren und den Hummeln und Wildbienen bereitwillig Nektar spenden. Die beiden Gäste haben ganz begeisterte Gesichter. Geradezu entzückt. Das haben sie sich ja ganz anders vorgestellt. Sie wussten nicht, dass ein Garten so bunt aussehen kann. Vorfallen in einer Zeit, in der die meisten Menschen ihre Gärten zu grauen Steinwüsten machen. Funktional, pflegeleicht und letztlich ziemlich hässlich. Da pflückt der männliche Gast das nächste Blatt, fragt kurz nebenbei und will es gerade in den Mund stecken. “Irgendwie sieht hier alles lecker aus, da kann man sicher überall was zum Snacken finden.“ Herrn Nipp bleiben die Worte im Mund stecken, er wird blass und dann rot, tritt vor, entreißt dem Gast schnell das Blatt. Beide Gäste schauen ihn empört an.

„Das solltest du besser nicht in den Mund stecken, das ist Eisenhut, absolut tödlich.“

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