Praktikumsbericht Teil 1

Im Radio läuft halbwegs erträgliche Musik als er in die Werkstatt kommt. Wie fast jeden Tag in den letzten Monaten hat es ihn in diese Werkstatt verschlagen, wo er Eisen in allen Ausprägungen bearbeitet, wo gebogen und geschmiedet, geschweißt und gebohrt wird, wo alles angestellt wird, nur um die Kunden glücklich zu machen oder zumindest in Teilen zufrieden, denn zu meckern hat jeder etwas. Und sei es nur, um irgendwie zu versuchen, den Preis zu drücken. „Haste eigentlich mal wieder eine Geschichte geschrieben?“ ( Eine lautmalerische Nachempfimdung des tatsächlich Gehörten ließe sich an dieser Stelle schwierig an.) „Schon seit Monaten nicht mehr.“ „Schade, jetzt hätteste doch genug Material.“ „Ich habe mir noch nichtmals irgendwelche Notizen gemacht.“ „Du erlebst doch viel hier, das muss auch mal wer aufschreiben.“ „Über meinen eigentlichen Job schreibe ich ja auch nicht, das ist mir zu nahe dran. Aber vielleicht geht es wieder, wenn ich hier raus bin. Mal sehen. Was gibts denn heute zu tun?“ „Schmieden.“ Herr Nipp schnappt sich die Handschuhe, steckt sie in die hintere linke Hosentasche, grüßt die anderen beiden Kollegen, die wie immer schon früher da sind, holt sich den Beutel mit Tabak heraus und dreht sich eine Zigarette, steckt sie, ohne zu rauchen, in den Mundwinkel und geht in das kleine Räumchen nebenan, in dem die Notdurft verrichtet werden kann, in dem allerdings auch die Kaffeemaschine steht. Er entsorgt den alten Filter, faltet einen neuen und gibt drei gehäufte Löffel Kaffeepulver darein. Der Wassertank wird aufgefüllt und die Maschine angeschmissen. Dann geht er zu einem geschmiedeten Kerzenständer, der dort seit Jahr und Tag herumsteht, und legt in aller Ruhe die mitgebrachten Äpfel aus dem eigenen Garten auf die einzelnen Plattformen, so entsteht in wenigen Sekunden ein kleiner Apfelbaum. Zum Ende des Tages werden die meisten Früchte verspeist sein, von ihm selbst und den Kollegen. Wenn dann noch einer übrig bleibt, wird der Älteste diesen mit nach Hause nehmen. Für die Frau. Er legt seine Jacke ab, in irgendeine Ecke, ist egal, da das Kleidungsstück sowieso schon schmutzig wurde und es dient einfach als Wetterschutz bei Außeneinsätzen. Montage. Da kann es schonmal kalt werden. Heute allerdings wird es warm werden. Nicht draußen, da nieselt es fies fast waagerecht; der Herbst ist im Kommen. Zunächst reinigt er die Esse von allem was stört, der Schlacke vor allem, öffnet die Luftlöcher und entfernt die Asche. Auf den hinteren Bereich füllt er mit der Schaufel neue Kohle und ordnet die Werkzeuge, so dass genügend Platz zum Arbeiten herrscht. Er rollt ein Stück Wellpappe und füllt die entstandene Röhre mit Zeitungspapier, entzündet letztes, lässt es einige Zeit brennen und steckt die Rolle aufrecht in die Kohle, die vom gestrigen Schmieden übrig geblieben ist. Er häuft sie an allen Seiten an und legt obendrauf einiges an schwarzem Brennmaterial. Dann wird das Gebläse betätigt und nach einiger Zeit glühen die Kohlen. Der Schmied tätigt derweil im Büro einige Anrufe. Wahrscheinlich geht es um neue Aufträge oder das Wildschwein, das er gestern abends erlegt hat. Muss wohl ein prächtiger Keiler gewesen sein, dem stolzen Jägergesicht nach zu urteilen. Inzwischen ist der Kaffee fertig, Herr Nipp spült zwei Tassen, füllt sie, die eine mit Weißer versetzt. Harte Schmiede mögen den Kaffee weich. Er steckt sich seine Zigarette an und gesellt sich zum älteren Gesellen. Der hat sich auch gerade seinen zuhause gestopften Glimmstängel entzündet. An die Werkbänke gelehnt der übliche Smalltalk. Immer begonnen mit der Frage „Wie gehts?“ und der Antwort „Schlecht.“ Schritte kommen näher, um die Ecke herum erscheint die Gestalt des bärtigen Schmieds. „Oh, der Alte gibt sich die Ehre. Jetzt hat er entweder gute Laune oder irgendetwas zu meckern.“ Der holt auch sein Päckchen Tabak aus der Latzhose und dreht, natürlich mit Filter. „Ist der Kaffe schon fertig?“ „Da steht deine Tasse.“ Der jüngere Geselle kommt dazu. Das sind die Momente, die Herr Nipp genießt. Zusammenstehen vor der Arbeit, Kaffee trinken und wissen, man wird sich den ganzen Tag über auf die anderen verlassen können und zwangsläufig müssen.

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