Gedanken eines Mannes, der an die Decke starrt

Wenn er dann nach allem so auf dem Bett lag und zur Decke starrte, alle kleinsten Dinge in der Rauhfasertapete bewunderte, die ihm schienen wie mäandernde Flüsse auf einer Landkarte oder besser Bäche, die aber trotzdem gerade noch zu erkennen waren, die erkennen ließen, dass das Holz der versteckten Deckenpanele gearbeitet hatte, dann musste er sich zwangsläufig Gedanken darüber machen, ob es wirklich sinnvoll gewesen war, dieses Haus aus der Gründerzeit, also jenen Jahren zwischen 1870 und 1910, mit modernen Materialien zu renovieren. Wäre es nicht vielleicht sehr viel besser gewesen, statt eines Filzputzes auf Kalkbasis Lehm, versetzt mit Stroh, Heu oder anderen Pflanzenfasern, zu verwenden? Was die Jahrzehnte der real existierenden Diktatur Ostdeutschlands nicht kaputt gekriegt hatten, einfach weil gar nichts gemacht wurde oder keine Baustoffe vorhanden waren, weil es nur das Ziel des Überdauerns gegeben hatte, des Wohnens, nicht des Vermietens, wurde durch die kapitalistisch motivierte Tourismusindustrie innerhalb weniger Jahre effektiv zerstört. Einer der schlimmsten Auswüchse dieser Entwicklung und Zerstörung war Herrn Nipp in einem Dorf namens Göhren-Lebbing allerdings begegnet. In einem künstlichen Dorfkern hatte jemand eine ganze Reihe gleicher wie künstlicher Fachwerkhäuser in bunten Farben zusammengewürfelt, weiterhin fand sich dort am Rand ein Golfplatz und einige Villen, die von Menschen mit teuren Autos und winters ebensolchen Pelzmänteln bewohnt wurden. Alles schien ausgerichtet auf eine Form des Luxus, der mit der umgebenden Realität nichts zu tun hat. Da zog er Dörfer wie Röbel vor, die zwar nicht an allen Stellen schön sind, aber dafür eine gewisse Ehrlichkeit ausstrahlen. Eine liebevolle Erhaltung der vorhandenen Architektur. Aber da war er wohl wieder einmal zu weit abgeschweift.

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