Verworfener Romanauszug

Nein, so konnte es nicht sein, immer wieder stieß er auf Passagen, die zwar geschrieben, aber eigentlich so gar nicht zu gebrauchen waren. Und das hatte verschiedene Gründe, die vielleicht gar nicht so einfach nachzuvollziehen sind. Manchmal lag es einfach nur daran, dass ihm ein guter Komposit nicht gelingen mochte, manchmal sicher auch daran, dass ein Leserhythmus sich auch nach mehrfachem Umstellen nicht einstellen wollte, dass die Wortspiele nicht funktionieren wollten, dass die Themen einfach auch im zweiten oder dritten Nachlesen als eher unpassend erschienen. Dann wurden diese Textpassagen einfach herausgeschnitten und der Roman wuchs nach einem einfachen Prinzip; wie ein atmender Organismus blähte er sich beim Einatmen auf, um beim Luftablassen wieder ein Stück zu schrumpfen. Von den insgesamt vielleicht inzwischen über tausend geschriebenen Seiten war so ein Rumpf erhalten geblieben, der gerade mal gegen 200 ging. Er wusste auch, dass dieser Roman vielleicht niemals beendet werden würde, weil es eben der erste Roman war und der musste traditionell im Schrank bleiben, denn der Autor würde sicher nicht den Mut finden, ihn einem Verlag auch nur anzubieten. Wer kann schon wissen, ob er überhaupt gelesen wird und wenn, ob er vielleicht abgelehnt werden würde. Aber er konnte noch nicht einmal sagen, dieser Roman sei in irgendeiner Weise fertig! Gerade hatte er folgende Passage für immer getilgt:

„Eine langwierige Erschöpfung? Nein, Markus hatte für diesen Tag alles gegeben und sich gewundert, wieviel selbst ein untrainierter Mensch wie er, ein eigentlich eher schlaffer und frischkäsig wirkender Körper, doch zu leisten imstande war. Auch wenn die wenigen Muskeln, die dadurch  fehlende Kondition, zuweilen vorgaben, nun aber wirklich nicht mehr weiter zu können, auch wenn ihm sein Kopf auf Seiten der Vernunft, ja, des von Freud postulierten Über-Ichs sagte, es sei für ihn doch eigentlich schädlich, weiter zu machen, hatte sich auf anderer Ebene das Tierische, das Es, der reine Wille, etwas zu schaffen, durchgesetzt. Auch ans Ziel kommen ist eine Leistung, egal wie. Schließlich heißt es doch, jeder Marathonläufer, der sich selbst überwindet, ist ein Sieger. Er war also tatsächlich nicht von irgendeiner Stelle der Tour mit einem Bus oder Schiff zurückgefahren, so wie er schon einmal gemacht hatte, damals allerdings, weil sich zwei Insektenstiche an sehr unangenehmer Stelle durch die Reibung des Sattels entzündet hatten, sondern war auf dem schmalen Sitz tapfer sitzen geblieben. Immerhin sollte ihm dieser Rundkurs doch als Werk dieser Woche erhalten bleiben und da störte der Gedanke, es nicht ganz geschafft zu haben. Dass er inzwischen eine lange Pause gemacht hatte, war durchaus in Ordnung. Außerdem war diese witzige Unterhaltung, welche sich mit dem Wirt des Fischverkaufstandes über eine halbe Stunde hinzog, hängen geblieben.“

Eine Seite also, die nicht viel über Markus aussagen würde.

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