Zugeständnis

Beim Blättern in jener Kiste, die er einst gefunden hatte, die so viele spannende Gedanken enthielt, welche sich schnell zu eigenen Geschichten entwickeln konnten oder zu Grundlagen von Gedichten wurden, fand sich ein kleiner Zettel, den er zuvor noch nie wahrgenommen hatte. Das konnte Herr Nipp einfach daran ersehen, dass er am Rand noch keine Bleistiftmarkierung vorgenommen hatte. Bei manchen Blättern hatte er sogar kleine Kommentare eingefügt, seine Gedanken dazu oder in welchem seiner Texte dieses Fragment Verwendung gefunden hatte. Teilweise waren auch nur Kürzel hingekritzelt, die Nichteingeweihten eher wie Chiffren erscheinen mussten, ihm selber aber sofort als Schlüssel dienen konnten. So hatte er neben einen unvollständigen Satz „DUD“ geschrieben, was tatsächlich nicht etwa auf den Duden oder eine Recherche im ethymologischen Lexikon dieses Verlages verwies, sondern daran, dass ein ähnliches Wortspiel in einem Film von Dick und Doof vorgekommen war, den er in seiner Kindheit gesehen hatte und an den er sich gerne erinnerte. Manchmal standen aber auch eindeutige Zeichen auf den Papierschnipseln, die durchaus verschiedener Herkunft schienen, teilweise sogar wie aus dem Gebets- oder Telefonbuch ausgerissene Fetzen wirkten, etwa ein Fragezeichen oder Hi 9.8 (was auf einen Satz im Buch Hiob verwies: „Er spannt allein den Himmel aus und schreitet einher auf den Höhen des Meeres.“).
Dieser Zettel jedoch war in jeglicher Hinsicht unkommentiert und beim Lesen überkam ihn eine gewisse Hoffnungslosigkeit. „Eines der Eingeständnisse, die er sich von Zeit zu Zeit trotz aller gewissen oder offensichtlichen Nähe zu Anderen machen musste, war, dass er eigentlich immer, das heißt in jeder Situation, ein tief sitzendes Gefühl von Einsamkeit gehabt hatte. Letztlich steht jeder für sich allein, jene oft beschworene Verknüpfung zwischen Gleichgesinnten mag für Momente Glücksgefühle erzeugen, zu einer Verschmelzung führt sie nie. Also versuchen wir, das Bewusstsein darüber mit Arbeit, Drogen, Gebet, Aktionismus und Sport zu betäuben. Wir versenken uns in ein blödsinniges Hobby oder in die virtuelle Realität eines Bildschirms, weil es dort etwas gibt, was schnell zu haben ist: Glückshormone als Ablenkung vom Realen.“

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