Voller Ernst

Als er seinen Arbeitsraum, jenes Großraumbüro, das ihm fast zur zweiten Heimat geworden ist, betritt, muss er zurückweichen. So eine Stimmung gibt es dort selten. Richtig dicke Luft. Zwei seiner Kollegen in hitziger Debatte, es scheint sich um ein funktionales Problem handeln. Rote Köpfe und angestrengte Blicke, da ist keinem und zwar gar nicht zu Späßen zumute, kein Witzchen könnte diese Atmosphäre auflockern. Auf dem Absatz kehrt er um, da er sowieso noch an anderer Stelle zu tun hat. Lieber erst gar nicht mitbekommen, was da los ist, das bringt mit Sicherheit nur zusätzlichen Ärger und ebensolche Arbeit mit sich. Nein, aus dem, was in den letzten Wochen passiert ist, hat er immerhin etwas gelernt: Halt dich raus, wenn du nicht direkt angegriffen wirst. Halt einfach mal den Mund, auch wenn du etwas zu sagen hättest, denn immer, wenn du einen Vorschlag machst, artet das zu unbezahlten Überstunden aus. Denn wenn du nicht mehr weiter weißt, dann bilde einen Arbeitskreis. Ganz entspannt geht er zurück, macht die anderen Sachen, die eben zu tun sind, pfeift sich dabei sogar ein fröhliches Liedchen. Diesem Ärger ist er durch Antizipieren entkommen, so in etwa wie ein Fußballspieler, der in ungeheurer Spielintelligenz schon vorher weiß, wohin der Ball demnächst fliegen wird. Die ganz großen Stürmer haben dafür ein fast übernatürliches Gespür entwickelt und brauchen dann nur noch den fuß dahin zu halten. Tor. Triumphal, ja so fühlt er sich und kehrt eine viertel Stunde später an seinen eigentlichen Arbeitsplatz zurück. Inzwischen brüllen sich die zwei ansonsten fast vornehmen Herren an. „…du hast doch gar keine Ahnung!“ „…das kann man so nicht machen!“ „Diese Kombi ist doch das Letzte, das kann nur in einer Katastrophe enden.“ „So eine Schwachsinn, damit werden wir noch untergehen.“ „Ach, halt doch endlich mal dein dummes Maul, wenn man keine Ahnung hat, dann sollte man auch nicht mitreden wollen und du bist doch ein inkompetenter Ja-Sager, der allem folgt, was vorgegeben ist.“ „Wie sollen die das denn schaffen,  so ohne Führungspersönlichkeit und ohne internationale Erfahrung, da müssen auch einige von den Älteren mitmachen…“ Jetzt geht Herrn Nipp ein Licht auf. Endlich. Das ist eine typische Unterhaltung von zweien der mindestens vierzig Millionen Bundestrainer kurz vor der Europameisterschaft.

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