Der Mond zeigte sich klar, ein wenig angeknabbert, aber doch schon recht rund, durch die flauschigen Wölkchen des nächtlichen Frühlingshimmels, als Herr Nipp fast zufällig einen Blick gen oben tat. Er hatte ausgiebig mit einer guten Freundin über verschiedene Aspekte der aktuellen Arbeit gesprochen, dabei natürlich die vergangenen und näheren zukünftig anstehenden Lesungen bekannter und eher wenig beachteter Autoren besprochen. Sie hatten sich versprochen, am Ball zu bleiben. Natürlich wurden auch verschiedene Bücher zur Hand genommen und so waren sie letztlich bei einem Taschenbuch aus D-Mark-Zeiten versackt, das er von einer anderen guten Freundin geschenkt bekommen hatte, hatten sich mit immer neuem Verzücken an einige Knoten des Buches „Knoten“ von R.D. Laing herangetraut und erkannt, dass dessen Beschreibungen von Beziehungen zwischen Menschen sehr richtig waren. Diese Jack-and-Jill-Geschichten sind auch zu gemein, sinnierte er jetzt beim Blick auf den Erdtrabanten vor sich hin.
Was aber wäre nun, dachte er, wenn zum gleichen Moment da oben auch jemand stünde und mit gleichen Gedanken auf die Erde herabschaute, darüber nachdächte, dass jemand auf der Erde stünde, der darüber nachdenken würde, dass jemand auf dem Mond stehen könnte, der darüber nachdenkt, dass jemand darüber nachdenkt und auf den jeweils anderen Himmelskörper starrt.
Derweil machte Herr Nipp, der auf dem Mond wohnte, nach einem langen Gespräch mit einer guten Freundin über dies und das und die anstehenden zukünftigen Lesungen bekannter und weniger beachteter Autoren einen Spaziergang und betrachtete den Mondtrabanten, der sich wie üblich in nette kleine, von hier kaum auszumachende Wölkchenstreifen hüllte. Flauschig anzusehen mit dem beruhigenden Blau, das wahrscheinlich durch spiegelnde Felsformationen erzeugt wurde, so genau wusste man auch nach jahrhundertelanger Forschung genau dies noch nicht, aber demnächst sollte ja vielleicht eine befraute Rakete starten und endlich die Geheimnisse des blauen Planeten lüften. Der Wettstreit der Nationen war bekanntermaßen im vollen Gange, wer als erster landen würde, um die Nationalflagge zu hissen. Die Vordermondler oder die Hintermondler, die eigentlich ganz andere Namen haben, aber aus Einfachheitsgründen jetzt und hier so benannt werden, man wusste noch nicht, wer das Rennen um Ruhm und Ehre gewinnen würde.
Was aber wäre, dachte er, wenn dort unten ein Mann auf der Erde leben würde, der zu genau diesem Moment auch nach oben auf den Mond schaute und sich Gedanken darüber machte, dass oben, also hier auf dem Mond auch jemand stünde, der sich selbige Gedanken machte und nicht wüsste, dass unten auch jemand stünde, welcher sich ähnliche Gedanken machen könnte, derweil…
In diesem Moment waren beide Herr Nipps durch einen unglaublichen Zufall zeitgleich an der Haustür angekommen und vergaßen mit der Suche nach dem Schlüssel augenblicklich ihre Gedanken.