Gezeitengespräch XXII

Zeitfern: Die Eiszeit kommt. Wir denken an Urlaub vermehrt. Weil dort die Sonne lacht. Keine Blässhühner. Aber Strand, Kormoran. Möwen sowieso. Das Geräusch der Eiswürfel im Glas. Dort wo die Nacht endet. Das Herz raschelt, in meinen Schlafbäumen. Der Winter radikal, wird erwartet. Eisblumen könnten blühen.

Die Jalousien geschlossen. Die Augen schieben sich durch die Spalten. Es liegt Schnee. Ich hätte was anderes erwartet. Diese Stille schlägt wie ein Stachel, weiße Striche vor Augen. Und Lots Frau ist ein entfernter Schneemann. Erinnerst du dich, Zeitnah, an dieses Lichtgefüge beim Öffnen des Fensters am Morgen. Dieses fremde Weiß. Das Herz wurde weit, ob dieser Fremdheit. Und Spuren im Schnee. Und darunter gekehrt die toten Blätter, das Geröll. Das Meer im Traum. Wir kriechen nicht mehr mit Knieschützern, wir brauchen jetzt dicke Winterschuhe. Die Liebe wird enger im heimischen Raum. Man rückt zusammen. Haut auf warmer Haut. Wir kuscheln und bleiben ineinander, aneinander. Die Restsüße zieht unsern Gaumen zusammen, von der Liebe, die wir hatten. Früh ist es dunkel. Schön. Wir schütten mehr Licht aus. Du hörst auf Farben. Formen fließen, lieber Zeitnah, ich wollte eigentlich über den Sommer reden. Doch diese Jalousien Blendwerk Blicke haben mich zurückgeworfen. Also nochmal, die Eiszeit kommt. Trotzdem: Da schwimmen Eisberge, weiß und sauber. Doch nochmal hier genau hinsehen: Da gibt es auch Staub, der Geruch weißer Wände, Blaue Schatten. Hitze. Salz. Eine Sättigung liegt über den Straßen, der kurze Waffenstillstand des Sommers? Hoppla, doch Sommer. Du bist dran, schreib was. Ich bin etwas verwirrt. Winter oder Sommer?

Zeitnah (jetzt wieder jetzt): Hatte gescheut zu schauen, zu lesen sowieso, brauchte Abstand von unserem Gespräch, du magst das entschuldigen bitte. Zu viele Bilder im Kopf. Bilder, die gehängt werden wollen oder etwas gehangen? Ausstellung. Und genau dann die Frage, ob wir unsere Bilder überhaupt dem Anderen mitteilen können. Die Assoziationen teilen? Der Schein der Flammen aus dem Kaminofenfenster dieser Tage auf ihrer Haut vielleicht. Was sehen wir da und was, bitteschön, fühlen und riechen wir? Den Geschmack der körperlichen Liebe sicherlich, aber immer die Vergleiche mit einem Damals. Weißt du noch, wie sie sich anfühlte? Ich habe es vergessen, versuche trotzdem manchmal dem nachzuspüren, zu fassen, was mich begeistert gebunden hat. Dieser Körper, dort in feuchter Erwartung und Seligkeit. Was bitte war das? Nur Lust, unsere absolute Lust nach Vereinigung, völlig, oder spielte auch das Ausleben von Fantasien eine Rolle, auch von Macht und Abhängigkeit? Schon allein der Gedanke lässt mich, angestachelt durch die treibend bunte Hippiemusik und ein Glas Wein, erröten.

Du versuchst mich mit deinen Anklängen an einen virtuellen Urlaub, gemeinsam nie, du auf der Insel in der Nähe eines wogenden oder trügerisch ruhigen Meeres, ich auf einem Berg, zwischen Himmel und den grünen Matten, die winzige Blütenwunder in sich bergen. Ja, jetzt kommt der echte Winter, endlich. Endlich, aber nicht für immer, auf die Zeit zu warten, die wir in der Ferne wandeln können. Urlaubserlebnis zur Seelenerholung. Alles lässt die Bilder fluten in uns und da sind wir dann gemeinsam weg, irgendwo und ganz konkret wird der Stift, der Pinsel, der sein Zeichen setzt. Als Andenken unseres Denkens.

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