Gezeitengespräch XIII

Zeitnah (einige Tage später): Wollte mich auf deine Worte einlassen, mich mit den Gedanken befassen, die du in dir trägst, auf das Papier und in die Welt entlässt, hatte mich gefreut und musste feststellen, hey, da steht nichts Neues. Und während ich schreibe, kommst du lachend, feixend von hinten an. Du fragst, was ich jetzt mache, so ohne Vorgabe und woran ich mich reiben könne, im Jetzt. Genau in diesen Momenten, auf mich selbst zurückgeworfen, auf die eigenen Wortkonstrukte im Hirn, der weichen grauen Masse, wenn die Leere gefüllt werden will. Hier sitzt jetzt ratlos einer. Kommunikation ohne ein Gegenüber geht nicht. Auch wenn Watzlawick sagt, man könne nicht nicht kommunizieren. Er sieht die Zeilen sich mit Ratlosigkeit füllen und wo, mein Lieber, bleibt da die Kunst? Natürlich könnte hier wieder Gezeter und albernes Lamentieren, Hadern und Zaudern folgen. Doch das kann kein Ziel sein. Also weiter im Text, einen nicht zu Ende gedachten Gedanken endlich zum Ende bringen? Nein. Warten lieber. Warten, mein Lieber, kann ich. Pausenlos.

Zeitfern: Eine seltsame Situation. Die Modelleisenbahn zieht ihre Runden. Den Tunnel nicht vergessen. Spannend: Kommt sie heraus? Oder ist was passiert! Entgleist? Ich kann auch pausenlos warten. Schon wieder sitze ich da, Warten auf die zwei kleinen Lichter. Und im Warten habe die die Vorstellung: Jetzt, wenn die Lok rauskommt, ist die Zeit, in der ich lebe. Plötzlich ist alles nur Schemen. Der Raum ist leer. Diese Zeit, in der ich lebe. Ich denke an mein Gesicht im Spiegel am Morgen. Ein Spielplatz der Bedeutungen. Immer noch eine feste Maske der Persönlichkeit. Immer noch die Verteidigungslinie, der Grenzposten der Seelen, der mich vor Fremden schützen soll. Und die frühesten Erinnerungen der Kindheit blitzen in den Falten. Immer ist das Gesicht im Spiegel ein anderes, eine Arche Noah, ein lebendiger Zoo, ein Wörterbuch. Früher, als Kind, habe ich über Freiheit anders gedacht. Heute ist Freiheit, etwas zu tun.

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