Gezeitengespräch IV

Zeitfern (Jetzt): Oh, oh, mein nächster Tag, endlich hast du die Lust verscheucht und die Geselligkeit, durch höchst fremdartige Grillen. Mein Leben, bestehend aus vielen Tagen. Immer das Gefühl, die Zeit steht still. Aufbauend auf den Tagen und Nächten. „Immer wieder sind es dieselben Lieder.“ (die toten Hosen). Es sind immer die gleichen Pilze, die gleichen Bäume, der gleiche Dreck im Gesicht vom Fahrradfahren. Und der Himmel ist immer nah. Mal rot, mal sonnig, mal blau, mal dunkel. Und der Mond. Ja, da steht er. Kühl, ruhig. Seltsames Licht. Träume sind die Fortsetzung. Man kann alles anders sehen. Dafür sind wir geschaffen. Im Kulturkreis. Im inneren Kreis gefangen. Doch verdammt lieber „Mein nächster Tag“, es gibt auch andere Kreise auf unserer runden Welt. Keine Gespensterkreise. Die Frage bleibt plötzlich. Was wird verändert, weil ich lebe? Oder du?

Eine dritte Person taucht auf und fragt: Hat sich das alles denn gelohnt? Besteht denn alles nur aus Fragen ohne Antworten, Rapunzel, reicht dein allzu kurz gestutztes Haar nicht, emporzuschwingen und Dinge zu erkennen, die weit entfernt liegen? Der Blues kommt!

Zeitnah (so wieder): Dritte mögen sich immer wieder einmischen. Aber nicht die Antworten sind wichtig. Nichtig sind sie. Werfen neue Fragen auf. Beständiges und kindliches Wie und Warum. Immer nur auf eine Zeit begrenztes Wissen. Die Zeit schreitet voran und meint, mit Meinungen ein Intermezzo geben zu müssen. Antwortenkataloge führen zur Autokratie, werden leicht zu leichtem Geschwätz. Worthülsen.
Ja, der Himmel ist nah, aber was stellt er dar? Gerade die Doppelbödigkeit von Realität und Erscheinung, von begrifflicher Fassung und Unfähigkeit zur Erkenntnis. Zur Wahrheit. Nicht suchen ist der Sinn der Befragung, sondern die richtigen Fragen, die auf der Straße liegen, wie eben jene viel beschworenen Nuggets im Dreck, zu finden, sie aufzulesen und zu stellen. Die Kunst daran ist das freie Mischen des Vorhandenen, die Kunst an sich ist das freie Mischen des Jetzt. So kommt das Neue als Prozess zustande. Ein unsicherer Tanz zwischen Gedanken, Gefühlen und Traum. Und letztlich vielleicht nicht die Frage nach dem „Woher kommst du?“, sondern „Wo stehst du?“

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