III.I Gestaltung von Kapiteln, auch wenn es eigentlich nichts zu sagen gibt.

Wie schon oben angedeutet, ist es grundlegend wichtig, die Abhandlungen, den Ratgeber in kurze und prägnante Kapitel zu unterteilen. Man muss bedenken, dass es sich im Normalfall um sogenannte Klolektüre handelt, eine Sitzung wird bei einem normalen Menschen niemals länger als zwanzig Minuten dauern. (Wenn Sie sich jetzt wundern; die zentralen Worte hier sind „normalen“ und „niemals“.) Auch wer als Ratgeberschreiber eigentlich gar nichts zu sagen hat, kann schon allein mit der Einteilung in Kapitel mit klangvollen Titeln sensationellen Eindruck schinden.

Wir möchten dies einmal beispielhaft darlegen. Nehmen wir doch einmal an, Ihr Ratgeber hat das Thema „Glück suchen, Glück finden“, so kann jeder daran eine Aussage knüpfen, die es in sich hat: Wer sich auf eine offene Suche nach dem Glück einlässt, ohne sich selbst durch Vorurteile einschränken zu lassen, der hat erstens das Potential zu finden und zweitens mit dem Finden eigenen Glücks auch die verschwiegene Möglichkeit andere glücklich zu machen. Nehmen wir diese Kernaussage auseinander, ergibt sich eine Menge an Schlüsselbegriffen, die natürlich der weiteren Ausführung bedürfen. Wir wissen schließlich alle als Mitglieder einer aufgeklärten Gesellschaft, dass jede Antwort im Grunde genommen eine neue Frage aufwirft, sogar eine weitergehende Fragestellung impliziert, manchmal sogar erfordert. Schon Kleinkinder führen uns das mit ihrem berühmten Warumspiel nervenaufreibend vor Augen. Sie nehmen die Antworten nicht so einfach hin, sondern legen den Finger mit der nächsten Warumfrage schmerzhaft in die Wunde, immer dort, wo es noch etwas zu klären gibt. Nicht aus Bosheit, sondern aus Prinzip und Neugier. Das macht  Eltern unweigerlich nervös, weil sie irgendwann Angst bekommen, dass sie keine Antworten mehr wissen und damit vielleicht auch ihr Nimbus der Allwissenheit vor dem Kinderauge zerstört wird, oder sie manövrieren sich in eine peinlich verstrickte Sackgasse, aus der es kein Entkommen mehr gibt, als die Machete zu zücken und wutentbrannt zu fliehen.  Sie können sich gar nicht vorstellen, wie peinlich es werden kann, wenn ein Elternteil bei den Antworten die falsche Weiche stellt.

„Ich habe dich lieb!“ „Warum?“ „Weil du meine Tochter bist.“ „ Weil Mami und Papi sich lieb haben.“ (Sie merken, genau an dieser Stelle steckt der Fehler bei der Mama.) „Warum?“ „Weil wir uns damals verliebt haben.“ „Warum?“ „Na, der Papa war sehr attraktiv.“ „Warum?“ „ Der sah gut aus und hatte immer netten Humor.“ „Warum?“ „Der hat mich immer zum Lachen gebracht.“ „Warum?“ „Weil ich früher nicht viel zu lachen hatte.“ „Warum?“ „…

Wir brechen das Gespräch an dieser Stelle ab, nicht zuletzt deshalb, weil die Mami kurze Zeit später in bitteres Schluchzen ausbricht und sich die nächste halbe Stunde nicht mehr beruhigen lässt. Keiner will ernsthaft den Zusammenbruch einer Mutter vor ihrem Kind miterleben. Es will schließlich auch niemand wissen, dass sie eine schlimme Kindheit hatte, mit all den Dingen, die sich als Trauma in die Seele brennen. Diese Mutter wird übrigens bereits zwei Wochen nach dem Gespräch mit dem Kind ein ebensolches mit einem Psychologen haben.

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