„Ich liebe es Gedanken zu folgen, die Wahrnehmung anderer, die meine dann auch irgendwie widerspiegelt, ohne dass ich sie so gedacht habe
Und so ging es mir grad beim Lesen
Weißt du was ich meine ?“
„ich denke schon, du sprichst von der spiegelung. solange ein gedanke abstrakt bleibt, damit offen, kannst du ihn zur leinwand deiner denkerlebens gestalten.
deines, nicht deiner“
„jajaja genau …
!!“
„wörter sind so gesehen spielfolgen, deren sinn sich für dich erst dann zu erschließen vermag, wenn du in der lage bist, loszulassen von gemeinplätzen“
„…“
„weiß schon, sollte aufhören“
Und dieser Gedanke war ehrlich, war ernst gemeint, er hatte wohl das Rad zu weit gedreht, sich in wildes Fahrwasser herausgewagt, war in die Strudel geraten und das Boot drohte nun zu kentern, wie in jenem Sonett aus dem Barock, auch wenn es dort das Lebensschiff war.
Man sollte niemals zu ehrlich werden, sollte vor allem nicht die Ernsthaftigkeit zeigen, mit der über das Leben reflektiert wird. Der andere kann jedes Wort zur Steinschleuder weiterentwickeln, jenem David gleich, der in unfairem Kampf den Koloss namens Goliath niederstreckte. Man stelle sich einfach mal die Situation vor. Da will jemand einen Faustkampf und dann wird er erschossen. So geht es nicht, meine Lieben. Das hat nichts mit Heldenmut gemein, das ist vielmehr hinterhältig. Und dann wird dieser Wicht auch noch in verschiedenen Weltreligionen als Vorbild gefeiert, nein, so bitte nicht. Man darf den Menschen keine Handhabe in die Greifwerkzeuge drücken, auf dass sie Munition haben, mit der man selber gesteinigt oder wie es heute wohl heißt, geshitstormt werden kann. Wie so oft breiteten sich die Selbstzweifel in ihm aus. Wenn er in aller Öffentlichkeit den erfolgreichen Draufgänger mimte, der alle Widrigkeiten auf unkonventionelle und vor allem schnelle Art löste, so konnte diese Maske manchmal schneller fallen, als ihm zugetraut wurde. Er spielte seine Rollen und erfüllte die an ihn gestellten Erwartungen. Manchmal bis zur offensichtlichen Selbstaufgabe. Zur für andere offensichtlichen Selbstaufgabe. Das aber hatte nun wirklich wenig mit seiner eigenen Überzeugung zu tun. Aber auch dieses Phänomen war letztlich nur ein Spiel, eine Ausfüllung der verlangten Partie. Vor allem dann, wenn er zur Ruhe kam, anfing nachzudenken und alles Revue passieren zu lassen, dann musste er sich von Zeit zu Zeit ein Scheitern einräumen. Dann wusste er, dass die eigentlichen Lebensziele verfehlt worden waren. Er fühlte sich manchentags von seinen Selbstzweifeln geplagt, hätte sich am liebsten in sein Schneckenhaus verkrochen. Ein Einsiedlerkrebs, der nach vorne hin so wehrhaft erscheint, ausgerüstet mit mächtigen Scheren und doch nur ein armes Würstchen ist. Sobald er seinen Schutz verliert, ist der den Unbilden der Natur ausgeliefert, nicht mehr als eine köstliche Speise im Selbstbedienungsladen der Natur.
Er hätte jetzt gerne einen schmackhaften trockenen Rotwein zum Mund geführt, aber das ließ sich momentan wohl kaum sinnvoll machen. Langsam öffnete er seine Tasche, nahm das braune Lederetui heraus, zog eine der dunklen Zigarillos heraus, zog sie einmal unter der Nase her und atmete dabei genüsslich ein. Er wusste mit den ersten Aromen, die seine Schleimhäute kitzelten, diese Rauchware würde seine volle Aufmerksamkeit benötigen. Das Größte allerdings war es für ihn, im Sessel vor dem flackernden Kaminofen zu sitzen, eine Zigarillo zu rauchen, dunkle Schokolade und dazu ein prächtiger trockener Rotwein. Auch das jetzt nicht, steckte den brauen Stängel wieder ein, sah auf den Bildschirm, der sich tatsächlich in der Zwischenzeit verändert hatte.
„Im Gegenteil
Ich bin fasziniert davon
das tut gut gerade … Und ich kann dir folgen“
In diesem Moment passierte das, was immer kommt, wenn man es gar nicht gebrauchen kann. Die Energieanzeige baute eine Drohkulisse auf. „Der Batteriestatus geht seinem Tiefpunkt entgegen, bitte wechseln sie den Energieträger oder schalten sie aus, sonst können Daten verloren gehen.“
„warte bitte einige minuten, bin gleich wieder da, muss kurz was erledigen. dauert nur ein paar minuten. versprochen.“
Er schaltete aus, löste den Gurt, legte das Gerät auf den Nebensitz, stieg aus. Er musste unbedingt das Ladekabel mit Adapter für den Zigarettenanzünder finden, umrundete das Auto und öffnete die Heckklappe. In einem der Koffer musste es sein.
