Der Stau (Teil VII / 2)

„Du hast wirklich die Neigung, einem die Wörter und Sätze im Mund zu verdrehen.“ „Ja, das mag sein, aber ich habe auch begonnen, dich und deine Machenschaften zu durchschauen. Du hetzt alle Leute gegen einander auf und verbreitest eine Stimmung, die letztlich nur als unerträglich angesehen werden kann. Du missbrauchst das in dich gesetzte Vertrauen.“

Wörter und Gefühl neigen oft zum radikalen Kippen, so wird die Neigung ins Gegenteil verkehrt. Am Beispiel des kleinen Wortes „geil“ kann man dies vielleicht am besten verdeutlichen, denn hieß es ursprünglich etwas Positives, wie wachsend, so machte das späte neunzehnte Jahrhundert daraus das rein sexuelle geil, was so viel heißt, wie brünstig oder lüstern. Es wurde dem Mann zugesprochen, denn bei Lüsternheit wächst bei ihm wohl etwas. Dieses Wort allerdings machte sich die Jugendsprache, die in den späten siebziger, frühen achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts neue Wege suchen musste, fernab der aufgesetzt politisierten Sprache der späten sechziger, zu Nutze. Es griff dieses geil auf und setzt es in seine ursprüngliche, gar noch gesteigerte Position zurück. Nicht nur wachsend und positiv sollte es sein, sondern klar in die Welt rufen, dass etwas besonders gut ist. Das Wort geil kann heute wieder jeder Manager im Mund mit sich herum führen, ohne diesen später mit der desinfizierenden Kraft der Seife in Verbindung bringen zu müssen, weil jeder einzuordnen weiß, was es uns sagen will. Auch die Werbung hat ihr Scherflein dazu beigetragen, es zu entskandalisieren. Allerdings mit der Folge, dass die damit auftretende Firma auch mit dem Wort Geiz verbunden wurde. Die nicht ganz so tumben Studenten, haben daraus in der Folge ihrer Studentenproteste gegen die Studiengebühren in einigen Bundesländern, (Länder, die nicht begriffen hatten, dass Bildung viel  wichtiger und billiger ist, als hinterher verteilte Hartz IV Gelder.) den wunderbaren Spruch „Geist ist geil“ geformt, auch hier wieder eine kleine Wendung. Mit dem Auftauchen auf den Bannern der Demonstrationen wurde die Werbekampagne schnell eingestellt. Wörter haben Bedeutungen und an den Stellen, wenn sie nicht ganz festgelegt sind, können sie semantisch neu besetzt werden. Dazu braucht es oft Mut und den haben meist die Jugendlichen, die das Gefühl in Kopf und im Herzen, sich gegen das etablierte System behaupten zu müssen, denn sie wollen schließlich auch einmal die Welt beherrschen. Bedeutungen aber verändern die Wahrnehmung der Welt. Die deutsche Geschichte hat es gezeigt, bestimmte Vokabeln stehen heute unter Generalverdacht, nur weil sie einige Jahre lang missbraucht wurden.

Es soll auch vorkommen, dass einige Verlage dazu übergehen, einige Wörter aus literarischen Originaltexten auszumerzen und diese durch eingeweichte Neuwörter zu ersetzen. Dass dadurch nicht nur der Klang der Texte sich verändert, sondern auch der Lesefluss, scheint hier nicht bemerkt zu werden. Wörter haben eine ihnen inne wohnende Magie, die uns berührt. Und nicht jedes hat ein entsprechendes Synonym.

„Dein Tabak stinkt, während der Pfeifentabak meistens duftet. Er hat eine andere Funktion.“

 

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