Der Stau (VI / 3)

„Was halten sie unserem Besuch in der Kunstakademie.“ „Sie haben dieses Mal gar nicht gekauft.“ So muss man mit einem Chef umgehen, der eigentlich gar kein Interesse an den Gedanken des anderen hat, sondern die Antworten nur benötigt, um sich selber in Denklaune zu versetzen. Man schrammt hart an einer tatsächlichen Beantwortung vorbei, sollte sich die eigene Meinung tunlichst verkneifen und setzt Impulse für ein weiteres Gespräch, manchmal auch einen Monolog. „Diese jungen Hüpfer hatten nur das Werk von Adepten vorzuweisen, nichts Eigenständiges.“ „Hatte auch den Eindruck, dass die heutigen Professoren wieder rigider werden, was über das eigene Werk hinausgeht, wird nicht geduldet.“ „Die künstlerische Arbeit, man kann sie eigentlich gar nie richtig werten, versucht Verknüpfungen herzustellen und bleibt doch immer an ihrer aktuellen gesellschaftlichen Realität und  Wertigkeit hängen. Nur wenige schaffen es, darüber hinaus zu gehen, darüber hinaus einen ganz eigenen ästhetischen Impuls in die Landschaft zu geben, der uns weiter bringen könnte.“ „Eine neue Form der Energie?“

„Ja, dabei zählt eigentlich den meisten nur die Vita. Wer nicht bei dem und dem studiert hat, der kann auch nicht dort oder dort ausstellen, und wer noch nicht auf der großen Bühne gespielt hat, der kommt auch nicht drauf. Mir hat mal ein Künstler gesagt, man dürfe nicht in der Kreisklasse anfangen und darauf hoffen, vielleicht irgendwann in die Bundesliga zu kommen. Man müsse sofort dort anfangen, dann habe man auch die Chance, irgendwann Championsleague zu spielen. Genauso geht es den armen Kunststudenten. Von ihnen haben vielleicht ein oder zwei Prozent die Chance auf den großen Markt zu kommen, dafür müssen sie kämpfen, über ihren Meister inhaltlich und visuell hinauswachsen. Sie dürfen nicht jedes Ausstellungsangebot annehmen, nicht an jeden verkaufen. Sie müssen den Galeristen suchen, der in der Lage ist die angemessen zu fördern und wachsen zu lassen. Der die richtigen Sammler an der Hand hat, die richtigen Ausstellungsorte und vor allem ein gutes Management. Wenn ich teilweise sehe, auf welcher Basis die Stipendien vergeben werden. Da hat ein Mann in einer Behörde, der wirklich gut sein mag, eine mittelmäßig begabte Frau, die noch nie ein eigenes Projekt auf die Beine gestellt hat und schon sitzt sie ein halbes in Rom in der Villa Massimo. Da geht ein Student mit seinem Professor ins Bett und schon wird das mit der Villa Romana in Florenz belohnt. Nein, ganz so schlimm ist es natürlich nicht, aber das Meiste läuft leider nur über gute Beziehungen. Die Künstler, welche sich auf eigenen Beinen behaupten wollen, auf die kleinen Messen fahren, ihre Werke dort anbiedernd anbieten und darauf hoffen, dass vielleicht mal eine Kunstverein jemanden vorbeischickt oder ein Sammler sich dorthin verirrt, der hat Pech, es wird nicht funktionieren. Vielleicht wird er mal ein Werk an den Mann bringen können, aber seine Hoffnungen kann er normalerweise in den Wind schießen. Und dieses Mal war keine Arbeit dabei, die ich gerne mitgenommen hätte. Viel Zeug, Dutzendware.“ „Lohnte sich die Investition nicht?“ „Vielleicht hätte es sich auf kurze Sicht gelohnt, einige Werke mitzunehmen, aber die meisten kleinen Sternchen am Kunstfirmament verblassen ganz schnell wieder. Sind wie Onehitwonder in der Popmusik. Nach der zweiten Ausstellung mag man diese Gehypten nicht mehr sehen und ist einfach nur froh, wenn die eingelagerten Werte schnell wieder auf den Markt geschleudert sind, mit einem kleinen Gewinn, versteht sich. Aber diese Art von Spekulationsgeschäften hängt mir wirklich zum Halse heraus.“ „Keiner dabei, den sie gebrauchen konnten für das Unternehmen?“ „Über hundert Bewerber auf eine einzige Stelle und keiner dabei, der auch nur annähernd das leisten konnte, was ich mir wünsche. Das ist wirklich albern. Nein, sie bleibt vakant. Vielleicht wird es jemand, den ich selber aufgefordert habe, sich zu bewerben, hatte ihn per Zufall auf einem Kongress getroffen, schien ein heller Kopf zu sein.“ Er stopft sich gemächlich sein Pfeifchen und raucht sie ein. „Ah, ein wirklich guter Tipp, dieser Tabak.“

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