Der Stau (IV / 2)

Da habe ich mir ein gutes Leben aufgebaut und brauche jetzt auch gar keine anderen Arbeitgeber mehr. Handle bei den verschiedenen Internetauktionshäusern und tatsächlich funktioniert das, man darf nur nicht denken, dass ein Achtstundentag ausreicht. Wer da Geld verdienen will, der muss schon Ahnung haben und Zeit investieren. Kofferauktionen bei den Flughäfen sind auch nicht schlecht. Da braucht man schon Gespür. Habe echte Schnäppchen gemacht. Da kann auch keiner meine Karte übersehen, die wissen ganz genau, wenn das so wäre, hätten sie ganz schnell eine Anzeige am Hals, können die von ausgehen. Ein Koffer für 30 Euro hört sich erst mal nach einem miesen Geschäft an, erst recht für 200, aber man weiß doch, dass die Leute eigentlich viel Wert drin haben. Ich meine Klamotten. In den Urlaub nimmt man nicht gerade die ältesten Sachen mit. Und wer tatsächlich mal einen Koffer liegen lässt, der hat sowieso den Überblick verloren. Das vergessen die meisten Leute. Habe erst einmal einen üblen Fehlgriff getan, waren gebrauchte Socken drin, ekelhaft.

Ist auch eine ziemlich eingeschworene Gruppe, die dabei mit steigert. Fast alle sind bei ebay unterwegs, kenne sie alle, teilweise kaufen wir auch untereinander oder tun zumindest so. Alles im realen Leben Außenseiter. Das passiert eben, weil man sich gegenseitig die Preise hoch treibt. Glaubt doch wohl keiner, dass die einfach so entstehen. Wir wollen uns ja nichts gegenseitig wegnehmen. Aber Wert muss man erzeugen, sonst kann es sein, dass die teuersten Sachen eben nichts kosten. Der ruf einer Marke entscheidet über den Verkauf. Wer vor fünf Jahren eine Kaiser-Idell Leuchte gekauft hat, musste zehn bis 20 Euro bezahlen, heute kostet das gleich Gerät 200 bis 400. Das ist unser Verdienst. Das hat nicht nur was mit der neu entfachten Bauhaus-Hysterie zu tun. Die sogenannten Schnäppchen aber sind genauso Mache. Und heute werde ich wohl den Start verpassen, muss gleich das Headset aufsetzen und per Phon mitbieten. Sonst gehe ich leer aus und da würden die anderen nur feixen. Dabei ist alles auch da ein abgekartetes Spiel. Wer schon drei Koffer hat, hält sich erst mal zurück, damit sie anderen auch `ne Chance haben. Nur die Gelegenheitsbieter, die das noch als Abenteuer sehen, können noch einen Strich durch die Rechnung machen. Das Leben kann so einfach sein. Die verschiedenen normalen Auktionshäuser arbeiten auch mit uns zusammen, wissen ganz genau, dass sie ohne uns nichts mehr los werden. Wir kaufen da und versteigern es virtuell weiter. Habe für Kunstwerke extra einen eigenen Shop eröffnet, unter einem anderen Namen natürlich, kann überhaupt niemand herauskriegen, welche Mantelgeschäfte man da machen kann. In diesem Sinn hatte meine Oma wohl doch recht. Meine Zeit ist wohl schon gekommen.

Wenn ich nur wüsste, welche Nummern die nebenan haben, würde sie glatt anrufen.

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