Der Stau (III/4)

„Wollte dir damals noch nicht sagen, woher das kam, kannte dich ja kaum. Oder hatte trotz der langen Freundschaft immer das Gefühl, dich nicht richtig zu kennen, was ja wohl auch stimmte.“ „Hast damals sowieso aus allem ein Geheimnis gemacht und nichts richtig sagen mögen.“ „Wusste nicht, woran ich mit dir war, alles war so ziemlich komisch.“ „War auch ziemlich schwierig, hätte da auch nicht gedacht, dass es bis heute dauern würde. Aber bin umso glücklicher, dass es nun überstanden ist.“ „Du hast auch nie gesagt, was damals war.“ „Braucht noch, werde ich dir später sagen, ist vergessen jetzt. Hatte nichts mit dir zu tun, eher mit meiner Unzufriedenheit.“ „Wenn du so dunkel guckst, kann ich immer noch Angst vor dir kriegen und vor einem halben Jahr war es noch schlimmer, dachte schon, du hättest Depressionen.“ „Nein, das war es wohl nicht, aber ich habe alles in Frage gestellt, mein ganzes Leben und die Freunde sowieso.“ „Ja, bei den anderen anfangen konntest du schon immer gut.“ „Weiß ja jetzt, dass es vor allem an mir lag. Denke, jetzt habe ich meinen Weg gefunden. Wer weiß, vielleicht ist es sogar besser so, konnte doch nicht ahnen, dass es so ist, wie es nun mal ist. Besser als heute könnte es mir gar nicht gehen. Hat aber auch lang genug gedauert.“ „Ja, das hat es wirklich. Habe nie verstehen können, warum du so schwierig bist, hätte alles leichter sein können, wenn du nur zu dir gestanden hättest und nicht immer nur danach gefragt hättest, wie die andern dazu stehen, wie die andern denken und was sie über dich sagen.“

„Weißt du eigentlich wie schwierig das ist, wenn man so eine Vergangenheit hat. Erzkatholischer Haushalt eben. Da wurde alles unter den Teppich gekehrt, was nicht absolut der Norm entsprach. Kann mich noch daran erinnern, als meine Ma entdeckte, dass ich die Pille nehme, war die reinste Katastrophe“ „Und jetzt?“ „…fühle ich mich freier und muss doch nicht alles aufgeben.“ „Hatte ich dir schon vor Jahren gesagt.“ „Konnte doch nicht wissen, was ich fühle, war eben alles so verquer.“ „Du solltest viel mehr reden, würde einiges einfacher machen.“ „Weiß ich, aber meistens finde ich nicht den richtigen Anfang und dann habe ich Angst, ich würde mal wieder alles noch schwieriger machen, also rede ich lieber gar nicht. Außerdem denke ich oft, dass das sowieso keinen interessiert, ich habe echt keine Lust, die anderen zu langweilen.“ „Na klar, deswegen bin ich ja auch mit dir zusammen.“ „Das Reden ist einfach so anstrengend, immer wieder und wieder darüber nachdenken, was man sagt und nichts Falsches in die Welt lassen, weil ich Angst habe, andere zu verletzen.“ „Ja, und mit jedem Aussprechen verändert man die Vergangenheit, das hast du schon mal gesagt. Auch schon mal darüber nachgedacht, dass man mit jedem Aussprechen auch ein Stück Selbsttherapie betreibt?“ „Vielleicht auch einfach nur das Gewisswerden des Erlebten, mag sein, ich weiß es noch nicht. Auf jeden Fall gut, dass du bei mir bist…“

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