Der Stau (III/3)

„…das wirklich angenehme an dem Job ist es, wenn du dankbare Gesichter siehst oder mal einen echten Dankesbrief bekommst. Ein Jahr habe ich sogar eine Originalgrafik von einem bekannten Künstler bekommen, habe dann den Chef gefragt, ob das okay ist. Der meinte nur mit mildem Lächeln, ja, das sei ganz in Ordnung. Den habe er auch in seiner Sammlung, allerdings einige Gemälde, von denen jedes mehrere Monatsgehälter kostet.“ „Der scheint ja ganz kulant zu sein, hast du mir nie von erzählt, dachte immer, das sei so ein trockener Knochen.“ „Nein, er ist zwar ziemlich hart, wenn es um geschäftliche Verhandlungen geht, er weiß aber auch, was er uns gönnen kann. Da lässt er zuweilen auch schon mal eine Großzügigkeit raus, die man einem Chef kaum zutraut.“ „Aber Chefs sind doch auch nicht die Freunde der Mitarbeiter, das musst du auch schon zugeben.“ „Hey, wenn es so weit käme, dann würden dem die Leute doch auf der Nase herumtanzen. Da muss er genaue Grenzen ziehen. Es geht schließlich immer auch um den Erhalt der Firma und damit die Verantwortung für viele Menschen und Familien. Er steht zu uns, das hat er zuletzt zur Weihnachtsfeier ganz deutlich angesprochen. Er hat zwar klar gemacht, dass die Zeit gerade hart ist und Umstrukturierungen anstehen, doch auch, dass wir den Weg gemeinsam gehen. Zur Not auch über Umschulungen. Es meinte, dass er auf uns vertraue, wie in der Vergangenheit und er wisse, dass wir anpacken können. Das war für viele wirklich Balsam. Wenn so eine Firma…“ „Stimmt auch wieder. Ich möchte die Verantwortung nicht tragen müssen. Immer die Kreditgeber im Nacken und nie wissen, ob genug Aufträge hereinkommen. Und wenn was schief geht, dann ist man der Dumme.“ „Ja, dann steht so einer mit all seinem Vermögen für das gerade, was andere verbockt haben. Also sollte man diesen Leuten ihren Reichtum auch ein bisschen gönnen. War irgendwann in Linz am Rhein, das stand auf einer Hauswand in den Fachwerkbalken eingeschnitzt: Der Neider sieht die Blumen im Beet, aber den Spaten sieht er nicht.“

„Klar, ohne Arbeit geht es nicht, aber manchmal könnte ich doch sauer werden. Da werden einfach hunderte von Menschen entlassen und dann stehen sie auf der Straße, siehste doch jetzt bei Opel.“ „Vielleicht ist es allerdings auch ein großer Unterschied, ob es sich um einen Mittelständler mit gerade bis zu 1500 Angestellten handelt, der auch noch im Familienbesitz ist oder um eine Aktiengesellschaft. Da geht es eben vor allem um abstrakte Zahlenwerte, nicht um den einzelnen Menschen.“ „Wo ist der Unterschied, beide wollen Kohle machen.“ „Ja, und beide finanzieren dich auch davon, wie du vielleicht schon vergessen hast.“ „Ich will mich ja auch nicht beklagen, aber…“ „…du musst auch mal das Schöne an der Situation sehen, zumindest an meiner, ich bekomme eben manchmal ganz nette Geschenke und ein paar Mal bin ich dieses Jahr auch schon eingeladen worden. Manchmal geht es eben über die einfachen Kugelschreiber, Feuerzeuge und Lineale hinaus, dann ist auch schon mal ein Gutschein drin. Kannst du dich noch erinnern, im Frühling, einen Tag Wellness in einer Saunalandschaft?“ “ War schließlich dabei, ja habe es genossen, wusste allerdings mal wieder nicht, woher du den hattest.“ „Ja, glaubst du, der käme einfach so vorbei geflattert?“

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