Der Stau (III/2)

„…die nächsten Wochen werden wir jedenfalls gutes Essen haben. Focaccia und besten Rotwein.“ „Und du beschwerst dich über unseren Sektkonsum.“ „Hm, so habe ich das bisher nicht gesehen. Ich fange auch nicht an am frühen Nachmittag zu trinken.“ „Aber abends geht doch eine Flasche weg, weiß ich doch und das auch über zwei Wochen.“ „Rotwein ist ja auch gesund.“ „Ja, ein Glas pro Tag. Alles andere ist genauso schädlich wie jeder andere Alkohol auch. Aber ich gönne es dir ja. Nur schwätz nicht so abfällig über meine Freundinnen und mich. Wir sind kein Stück schlechter als du, wir können vielleicht nur besser genießen. Den Strand, das Licht der untergehenden Sonne über dem Meer, das beruhigende Rauschen der Wellen.“ „Fällt mir einfach sehr schwer, mich darauf einzulassen. Vielleicht werde ich es auch irgendwann verstehen, aber nicht an der Nordsee.“ „Ist schon gut, weiß ja, dass sie dich langweilt.“

„Aber denk auch mal an den herrlichen Käse dort in Italien, die frischen Tomaten und all die anderen Spezialitäten. Zur Not geht auch mal eine Pizza.“ „Ja, du hast eigentlich Recht, wir sollten uns den Urlaub nicht schon vorher kaputt reden. Aber ich komme noch nicht richtig rein. Bis gestern habe ich im Büro gesessen und musste allen gegenüber freundlich tun. Und manchmal bestimmte Leute abwimmeln, als wären es lästige Fliegen. Leute, die nur etwas wollen und nichts leisten. Bittsteller. Es wird immer schlimmer. Jeden Tag mindestens drei vier Anfragen wegen möglichem Sponsoring oder zumindest vielleicht doch einer Warenspende für irgendeinen caritativen Zweck, für einen Karnevalsverein oder irgendwelche Künstler, die mal wieder eine Ausstellung vorbereiten. Dann kommt natürlich die Feuerwehr vorbei und möchte Bargeld sehen. Geben einem immer das schlechte Gefühl, dass sie viel für uns im Notfall leisten und eigentlich haben sie ja auch alle Recht. Jeder hat ein wichtiges Anliegen. Aber nicht alles kann bedient werden. Da musst du dann schauen, wie weit das Budget geht.“ „Wie, habt ihr das schon vorher festgelegt?“ „Natürlich, glaubst du etwa, das wäre nicht einkalkuliert. Schließlich muss man doch auch steuerlich einige Spenden vorweisen, damit wir zeigen können, was wir alles machen. Und das Banner muss auf den Flyern bestimmter Veranstaltungen einfach aufgedruckt sein, sonst geht es gar nicht.“ „Wie?“ „Na, am Jahresanfang wird mir ein Etat zur Verfügung gestellt, den ich dann sinnvoll streuen muss. Ist ja nicht so, dass wir alles uneigennützig machen. Aber zu gewissen gesellschaftlichen Events darf unsere Marke eben nicht fehlen.“ „Das hätte ich so gar nicht gedacht. Ich dachte immer, da müsse man von Glück reden, wenn eine Firma mal etwas spendet.“ „Nein, also bestimmte Sachen oder Resorts sind schon festgelegt. Caritative Zwecke, Sport, Kultur und Sonderbereiche.“ „Wow, bin begeistert, so einfach geht das?“ „Nein, habe in den letzten Jahren ziemlich gut recherchiert, wer was macht und wo wir gut wahrgenommen werden. Kultur zahlt sich eigentlich immer aus. Da kommen Leute hin, die Geld haben und vor allem Einfluss. Die „Tafeln“ übrigens auch, weil sie gute Pressearbeit machen.“

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