Der Stau (II/2)

„Jetzt macht flott, es gibt schließlich einen Grund dafür, dass der Konzern mir keinen Kleinwagen, sondern ein echtes Auto bezahlt. Man, ich bin erstens gut und zweitens muss man Eindruck machen, man muss schließlich auch schnell und vor allem pünktlich im Ziel sein. Man, so sieht es doch wohl aus. Leute wie ich halten die Wirtschaft am Laufen, wir sind es, die dafür sorgen, dass auch die Anderen Arbeit haben. Dafür ist es doch nur gerecht, wenn man einen ordentlichen Motor unter der Haube hat. Es muss auch mal Spaß machen, wenn man den ganzen Tag auf der Piste ist. Sollen die anderen doch neidisch gucken, kann von denen ja keiner wissen, dass es ein Firmenwagen ist. Könnte mir selber wahrscheinlich niemals so ein Teil leisten, vielleicht mit Leasing, aber dann würde er ja auch der Bank gehören. Wenn ich die jungen Leute sehe, die sich dicke, schicke Autos kaufen, können kaum genug Geld für die Miete aufbringen und haben einen Wagen für vierzig Tausend vor der Tür stehen. Zahlen jeden Monat dreihundert an Leasingrate und haben letztlich nix davon. Die haben echt was falsch gemacht, die haben noch nicht verstanden, dass man den richtigen Job suchen muss, damit andere das bezahlen.“ Für einige Augenblicke war er zufrieden, hatte sich in einen Rausch geredet, und alle anderen Sorgen darüber vergessen. Auch dass er in einem Stau stand. Genau in diesem Moment gegann der Verkehr zu rollen, gut fünfzig Meter auf seiner Seite. Den Typen von der Ökofraktion hatte er schon mal hinter sich gelassen, auch das eine kleine Genugtuung für die Unannehmlichkeit der Stockung. Der Verspätung.

„Dabei schauen die doch alle nur auf uns Vertreter herab, das ist völlig unfair. Nur weil wir alle möglichen Geschäftspartner aufsuchen, anquatschen. Ohne uns gibt es nun mal keine Umsätze, wer das nicht versteht, der tut mir leid. Außerdem haben wir mehr Freiheiten, als viele andere, aber das wird wohl nicht gesehen. Die wichtigsten Tätigkeiten sind nun einmal fahren und warten, aber auch daran gewöhnt man sich sehr schnell. Und dann muss man im richtigen Moment die richtigen Worte parat haben. Die Leute müssen erkennen, dass man voll hinter der vertretenen Marke steht, wer kann das schon leisten? Die richtig guten Vertreter bringen echt Kohle rein. Wir machen Arbeit im besten Sinne und dafür brauchen wir auch ordentliche Entlohnung, Firmenwagen und Spesen, Gehalt nach Leistung. Nicht wie die Sesselpuper von Beamten, die immer das Gleiche kriegen, ob sie nun arbeiten oder nicht. Die würden sich umgucken, wenn sie plötzlich den Gesetzen der Marktwirtschaft ausgeliefert wären. Und dabei springen die Abteilungsleiter der Kunden mit uns um, als wären wir eine Geißel, müssen denen auch noch kleine Präsente machen, was Ausgefallenes muss schon drin sein, nicht nur ein Kugelschreiber, eher schon ein edles Schreibset mit Laserpointer für den Jüngsten, damit sie einen Auftrag vergeben. Egal, was ich den letzten Jahren an den Mann gebracht habe, es war erfolgreich, das ist es doch, man muss Ahnung von der Materie haben, sich einarbeiten. Nicht wie dieser Verkäufer, den der Nick Cave in seinem letzten Roman vorstellt, das ist ja das völlige Grauen, damit habe ich wirklich nichts zu tun.“ Selbstzufrieden steckte er die nächste Zigarette an, öffnete beide Fenster, Durchzug, das ist wichtig in solchen Situationen.

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