Obwohl wir Bauernjungs und Bauernmädchen waren, durften wir ausschlafen, wenn wir es wollten. Nach Ansicht meiner Mutter musste sich das richtige Gefühl für die ausreichende Schlafdauer über die Jahre entwickeln, dann musste jeder für sich die Erfahrung machen, was ausreichend ist. Tatsächlich macht übermäßiges Schlafes noch träger und müder. Ich habe festgestellt, dass die Länge meines Schlafes den nächsten Tag beeinflusst. Wenn ich mit einer gewissen Grundmüdigkeit durch den Tag gehe, habe ich den Anspruch, immer bereit zu sein, jeden Fehler entdecken zu müssen, der sich zwischen die Formeln meiner Programme geschlichen hat. Wenn ich völlig ausgeschlafen bin, also mehr als sechs Stunden im Bett gelegen habe, dann bin ich oft nicht aufmerksam, weil keine Notwendigkeit dazu besteht. An diesen Tagen unterlaufen mir ganz dumme Fehler, die manchmal zu kleinen Disastern führen, wenn es so etwas überhaupt gibt. Andererseits weiß ich auch, dass mein Faltenwurf von Gesicht, den ich jeden Morgen im Spiegel betrachten muss, dem wenigen Schlaf geschuldet ist.
Die richtige Schlafdauer erkennt man vielleicht erst, wenn man erwachsen ist. Und tatsächlich sind alle meine Geschwister sogenannte Bettflüchtige. Sie freuen sich, wenn es spät abends in den gepolsterten Rahmen geht und schlafen alle, soweit ich das beurteilen kann, sofort ein. Ich habe noch nie gehört, dass sich einer von ihnen über Schlafunterbrechungen beschwert hat. Wenn wir schlafen, dann schlafen wir, da kann das Haus zusammenbrechen. Aber morgens hält sie nichts sehr lange, selbst wenn sie mal über die Stränge geschlagen haben und am Abend eine heftige Party war.
Alles änderte sich, als meine drei Schwestern ihre ersten Kinder bekamen, das geschah im gleichen Jahr, da war die Jüngste gerade mal neunzehn Jahre alt. Plötzlich mussten sie Verantwortung übernehmen. Zu dieser Zeit bin ich ausgezogen, wollte auf eigenen Füßen stehen. Es muss damals für die Eltern schwierig gewesen sein, als das Haus plötzlich leer wurde. Nur die zweitjüngste Schwester ist bis heute bei ihnen geblieben. Sie wollte nicht heiraten, nur ein Kind, wollte eigentlich nichts anderes, als dort in der Idylle leben. Sie hat eine Ausbildung als Verkäuferin gemacht und ist offensichtlich glücklich damit. Wenn man in die Bäckerei kommt und ihr strahlendes Lächeln sieht, weiß man, dass sie den richtigen Beruf gefunden hat.
Ich war wohl der erste der vier Jungen, der die Nacht verkürzte, in guten Zeiten auf vier Stunden, in schlechten auf sieben. Dann musste allerdings schon etwas besonderes passiert sein, vielleicht eine hübsche Frau neben mir liegen. Begeistern konnte ich mich allerdings, wenn die Frauen die Nacht mit durchfeiern konnten oder mit mir am Rechner arbeiteten, um das gerade entwickelte Programm noch fertig zu stellen und sie dann morgens in aller Frühe trotzdem ganz frisch mit mir eine Tasse schwarzen Kaffe trinken. Wenn man dann auch noch im Sommer auf der Terrasse sitzt und die Stille des Gartens genießt, ist alles gut. Aber das kommt leider viel zu selten vor. Dann entsteht genug Ruhe und Raum in einem. Um anstehende Projekte ersinnen, zu entwickeln und zu planen. Mit diesem Frauen hatte ich die intensivsten Beziehungen. Leider geht das auf Dauer nicht gut, aber es findet sich schließlich immer jemand.
Vielleicht sollte ich dem Raucher im Auto neben mir auch mal einen Keks anbieten, dann würde er vielleicht verstehen, warum ich trotz der langen Zeit des Wartens immer noch nicht unzufrieden bin. Es ist fast schon unheimlich, wie er mich ansieht.
