In der erlebten Lähmung hat sich der Fahrer des Nachbarautos links von mir bereits die dritte Zigarette angezündet. Er sieht mich an, unfreundlich, als wäre ich Schuld an seiner Misere, die er wahrscheinlich als grundsätzliche Lebenskrise ansieht. Er wurde aus seinem Trott, seiner eingefahrenen Taktung gerissen und muss nun umdisponieren. Er hat eine hochgezogene Augenbraue und saugt wie ein Abhängiger an seinen Suchtstengel, als wäre es eine frische Mutterbrust, voller süßer Flüssigkeit. Dabei ist nur bitterer Qualm zu erwarten. Das bekannte „Ich rauche gern“ ist einfach eine große Lüge. Ich kenne diese Abhängigkeit nur zu gut und bin gerade mehr als froh, dass ich nichts zu rauchen bei habe, könnte glatt wieder anfangen. Der erste Kick ist es, was der Raucher sich bei jedem Zug wünscht, doch der bleibt aus, war wohl die falsche Zigarette. Die Scheibe wird irgendwann geöffnet, einen Spalt breit, so dass die rauchige Luft abziehen und über das Dach zu mir herüber steigen kann, dazu auch die Scheibe auf der Beifahrerseite, die Luft lässt lustige Wirbel entstehen, die durch die laue Frühsommerluft tanzen. Wenn ich diesem Spiel folge, steigt immer die Erinnerung an Jugendstildekore auf. Auch dort nehmen die Pflanzen häufig diese Eleganz des Flüchtigen an. Man kann nicht an einer Stelle verweilen, der Blick wird weiter gezogen und gleitet an dieser Eleganz letztlich ab ins nächste Dekor. Auch die oft nackten oder in dünne Gewänder gekleideten jungen Frauen, die als Beiwerk dienen, als Ausschmückung, können keinen sexuellen Reiz erzeugen und sollen dies wohl auch nicht. Obwohl wunderschön, sind sie nichts als Dekoration, wie die hübschen Starlets, mit denen sich reiche alte Männer schmücken.
Die Rauchschwaden ziehen beständig zu mir herüber und beginnen in den Wagen einzudringen, wie Okkupanten, eine Armee aus fremden Geistsoldaten, die mich überrumpeln will. Das kann nicht so weiter gehen, kann es nicht zulassen. Schließe meine Dachluke und schalte die einsam rasselnde Lüftung ab. Da der Motor schon einige Zeit nicht mehr läuft, wäre es auch völliger Blödsinn, die Batterie auf diese Weise zu verbrauchen. Wer weiß, ob sie nicht vielleicht defekt sein könnte und dann wäre ich der nächste Stauverursacher, weil der Wagen nicht mehr anspringt. Nur das Radio soll leise weiter arbeiten, ich brauche diese Hintergrundgeräusche, Stille verursacht immer ein Gefühl von Einsamkeit. Hermetisches Abriegeln von der Außenwelt, als wäre ich in einem U-Boot gefangen, welches langsam auf Tauchstation geht. Muss an jenen deutschen Film denken, der wie kein zweiter die Situation atmosphärisch verdichtet. Nein, ich kann nach draußen sehen und weiß, was um mich herum geschieht, aber ich habe gerade eine Schlacht verloren. Der Fremde nebenan schaut mich an, siegesgewiss mit leicht spöttischem Lächeln im schiefgezogenen Mundwinkel.
