verschwommen

Zuweilen sehe ich wirklich verschwommen, dachte der Schwimmer.

Veröffentlicht unter Allgemein | Kommentare deaktiviert für verschwommen

Von Hölzchen und Stöckchen

Die Vögel zu füttern ist heute wohl kaum noch umstritten. In den Städten dieser Republik würden sie wahrscheinlich heute sonst verhungern. In den Stein- und Schotterwüsten unserer Zeit wächst einfach kaum etwas Fressbares. Nein, hier soll jetzt wirklich kein Lamento über die Baumarktopfer folgen, die ihre Gärten mit der Ästhetik und den martialischen Materialien von Strafgefangenenlagern gestalten. Herr Nipp glaubt sogar, dass die Gartenplkaner der heutigen Zeit früher einmal für ganz andere Zwecke eingesetzt worden wären, was aber nicht weiter ausgeführt werden sollte, da würde sich sicherlich ein neuer Verschwörungsmythos bilden, den hier niemand befeuern will. Offenbar braucht der moderne Mensch, der selbst entscheiden darf, diese Form der Selbstinternierung. Hier ist mein Reich, dort am mit Plastikstreifen durchwirkten Doppelstegmetallzaun endet mein selbst gewählter Horizont. Wer will schon über den eigenen Tellerrand hinausschauen. Ich als Schottergärtner nicht, es ist eh schon ziemlich warm hier im Sommer. Ja, Vögel müssen gefüttert werden und mancherorst wohl auch das gesamte Jahr über. Herr Nipp hat es sich angewöhnt, auch die Eichhörnchen zu füttern, irgendwie hat er gerade das Gefühl, dass trotz der Begrünung der Straßen durch Archtiektenpetersilie wie etwa Amberbäume die hiesige Fauna keine Vorteile von dieser Maßnahme hat. Man könnte auch von städtischem Greenwashing sprechen. „Liebe Mitbürger, wir begrünen die Straßen für Sie und entfernen Ihre uns lästigen Parkplätze im öffentlichen Raum.“ Anders gesagt: „Leute, entfernt eure Gärten zugunsten eigener Parkplätze, das ist für die öffentliche Hand erstens billiger und zweitens habt ihr doch eh keine Lust auf Gartenarbeit.“ Das führt übrigens nebenbei bemerkt zu einer zusätzlichen Überhitzung der Stadt. Aber an dieser Stelle bin ich wohl mal wieder vom Thema abgekommen und über das Ziel, das ich nicht kenne, herausgeschossen. Von der Fahrbahn abzukommen hilft im künstlerischen Bereich übrigens wirklich, weil sich manchmal, wenn man Glück hat, neue Wege und Perspektiven ergeben. Natürlich wollte der Erzähler keine Kritik über, wo doch alles gut ist. Er liebt Amberbäume und Tulpenbäume, sie machen auch weniger Dreck. Ziel erreicht.

Veröffentlicht unter Allgemein | Kommentare deaktiviert für Von Hölzchen und Stöckchen

Was du heute siehst

Es ist alles vergänglich, das ist den Menschen wohl nicht erst seit dem Barock bewusst, auch wenn kaum eine andere Epoche dies so sehr in den Mittelpunkt des Denkens erhoben hat. Der heutige Mensch geht wohl eher vom Augenblick aus. Ja, es ist alles im Werden und Vergehen begriffen, das wissen wir, aber was interessieren uns gestern und morgen? Es ist die Zeit der Hedonisten, der Egoisten, der Jetztgläubigen, die sich und ihre Problemchen im Blick haben. Da erzählt Herrn Nipp ein Kollege im vollsten Unschuldsbewusstsein, dass er sich morgens eigentlich kaum entscheiden könne, ob er nun den BMW fahre, der habe ja schließlich ein Cabrioletdach oder den Mercedes, er mache sich aber auch manchmal Gedanken darüber, ob es nicht viel umweltfreundlicher sei, das Motorrad mal wieder aus der Garage zu holen, das sei doch bei einer Person wohl das Beste. Des Herrn Nipps Vorschlag, häufiger das Fahrrad zu nutzen oder zu Fuß zu gehen, wird augenblicklich verworfen. Welch eine Zumutung. Auch seine Idee bei einem anderen Kollegen, doch näher zum Arbeitsplatz zu ziehen, was energetisch und zeitlich durchaus vorteilhaft wäre oder sich einen Arbeitsplatz in der Nähe des eigenen Zuhauses zu suchen, erscheint dem Gegenüber fast ketzerisch. Als er kürzlich einen Autofahrer darauf hingewiesen hat, er könne doch zumindest im stehenden Modus vielleicht den Motor ausmachen, der nun schon seit einer viertel Stunde vor sich hin brummt, wurde er angebrüllt. Wenn er dann sogenannt liberale oder konservative Politiker hört, es sei doch wohl schwachsinnig, perspektivisch auf Verbrennermotoren zu verzichten oder gar ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen einzuführen, muss er sich die Frage stellen, was im Kopf solcher Menschen herumspukt. Liberal heißt, auch die Freiheit der Anderen, das heißt auch die Freiheit folgender Generationen, zu achten. Konservativ heißt, nicht alles, sondern das Gute zu bewahren für die folgenden Generationen. Ja, alles ist vergänglich, auch der nutzlose Verbrauch, spätestens dann, wenn nichts mehr zum Verbrauchen da ist. Aber dann muss er sich auch an die eigene Nase fassen, seinen Diesel fährt er tatsächlich immer noch manchmal.

Veröffentlicht unter Allgemein | Kommentare deaktiviert für Was du heute siehst

Brille

Wir kennen die Erzählungen (modern müsste es heute wahrscheinlich Narrative oder Narrationen heißen, hach wie toll ist das aktuelle Öffentlichkeitssprech) alle. Da sucht jemand seine Brille und kann sie dummerweise nicht finden und dann kommt der Partner oder wer auch immer heim und sagt, dass der Suchende sie doch auf der Nase hat. Haha, was haben wir gelacht. Wie kann denn jemand so „trottelig“ (Ich habe mir dieses Wort bei Jan Faktor ausgeliehen, dessen Roman „Trottel“ man unbedingt gelesen haben sollte. Übrigens ein wirklich sympatischer Zeitgenosse, denn es sich lohnt kennen zu lernen.) sein. „Das habe ich bei dir auch nicht anders erwartet.“ und ähnliche Frechheiten werden dann stereotyp gebraucht. Das allerdings soll an dieser Stelle nicht erzählt werden, zu abgedroschen und vor allem ihm noch nie passiert und auch als Erzähler sollte man nicht allzu sehr lügen, wohl den Leser in die Irre führen, ja, das ist erlaubt. Herr Nipp hat seine Brille jedenfalls ernsthaft gesucht, er kam auch sofort auf die Idee, in den Spiegel zu schauen, vielleicht konnte sie sich ja doch irgendwo in seinem glatt rasierten Gesicht oder auf dem ebenfalls weitgehend glatten Haupt versteckt haben. So eine Frechheit der Sehgläser, sozusagen ein bewusster Prozess der Subordination gegenüber ihrem Träger. Einfach zu verschwinden, wo gibt es denn so etwas? Zunächst im Wohnzimmer trachtete er, die Sehhilfe ausfindig machen zu können, dann im Bereich der Dusche, klar, da zieht man sich ja meist vor dem Duschen aus und man hört davon, dass auch Brillen abgelegt werden, Schlafzimmer, Ja, Schlafzimmer, wo sonst, oder doch der Werkraum im Keller, in dem er sich manchmal gerne aufhält,um irgendwelche Ideen zu realisieren. Selbst die kleine Bibliothek ein Fehlschlag. Seine Schwester hat er angerufen, auch dort hatte er sie nicht liegen lassen. Wenn hier von der Brille gesprochen wird, muss der geneigte (hoffentlich nicht gebeugte) Leser wissen, dass es sich eigentlich um drei Brillen handelt, die er wechselweise trägt. Nicht besonders schön, klar, aber zumindest funktionale Nasenrennräder nennt er sein Eigen. Es hilft alles nichts, keins ist zu finden, niemand weiß, wo sie liegen könnten. So versucht er fast den gesamten Tag über, das heißt, immer wieder, seine geschätzte Wochenzeitung mit möglichst großer Distanz zu lesen. So entsteht ein leidlich scharfes Bild der Buchstabenkolonnen. Das Lesen dauert zwar ein wenig länger, aber es geht eben doch so halbwegs. Vor allem dann, wenn die Zeitung wellig liegt, muss er manchmal raten. Aber normalerweise liegt er dann richtig. Man sollte nicht vermuten, dass Redakteure und Journalisten heutiger Zeit selbst angesehener Blätter auch nur ansatzweise dazu neigen, konzeptionell experimentellen Sprachgebrauch zu machen. Das könnte gar noch den nächsten Scheißesturm auslösen, der wohlklingender „Shitstorm“ heißt. Der wahre Wohlfühljournalismus dieser Tage findet nicht nur die richtigen Wohlfühlthemen, sondern ganz nebenbei auch noch eine Wohlfühlsprache, die eher romantischen Ansätzen einer Poetisierung der Welt gleicht als denen des radikalen Expressionismus, der die Welt zerlegt und neu zusammensetzt. Die Wohlfühlpresse bedient sich sprachlicher Weltflucht. An diesem Tag kommt er erst spät zur Ruhe und muss dort im Schlafzimmer feststellen, dass alle drei Brillen unter der Bettdecke liegen.

Und da fällt ihm ein, dass er noch dringend zum Geburtstag gratulieren muss.

Veröffentlicht unter Allgemein | Kommentare deaktiviert für Brille

Daten

Man muss es wirklich nicht ganz so genau nehmen, sagt sein Gegenüber. Ob das Gedicht von 1816 oder 1852 ist, das kann uns doch völlig egal sein.

Herr Nipp atmet ganz tief ein und aus.

Veröffentlicht unter Allgemein | Kommentare deaktiviert für Daten