Reden reden

Da also stehen sie zusammen und überlegen, was wer wann und wie zu tun habe. Und seien wir ehrlich, natürlich weiß jede und jeder von ihnen, dass im Zweifelsfall jede und jeder für alles herangezogen werden kann. Also sich lieber frühzeitig melden, als irgendetwas zugewiesen zu bekommen. Von Organisation über Akquise über Darstellung bis letztlich zu Ausführung und Rede. Herr Nipp hat sich direkt zu Beginn für die Rede gemeldet. Und nun hat er den Salat und muss die Suppe auslöffeln, die er sich selbst eingeschenkt hatte, ein wahrlich bitteres Gebräu. Thema, klar, Auditorium, klar, Motivation, klar, aber sprachliche Mittel und Aufbau? Keine Ahnung, vielleicht hätte er sich doch besser um die Akquise der Finanzen kümmern sollen oder die Konzeption des Zeitplans der Feierlichkeiten. Oh Mann, er hätte doch wissen müssen, was auf ihn zukommt, vor allem wo er doch so eine Angst vor jeglichem Publikum hat.

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Armer Arm

Es ist noch nicht ganz so lang her, da konnte er gar nichts machen, saß herum und ärgerte sich, dass er einmal nicht aufgepasst hatte. Ausgerutscht, Arm gebrochen, Ellenbogen, Gelenk kaputt. Glücklicherweise kann die heutige Medizin inzwischen viele Sachen reparieren. Jetzt hat er eine Titanstahlplatte und neun Schrauben im Arm. Die halten alles zusammen und tatsächlich hat sich der Knochen dazu durchgerungen wieder zusammen zu wachsen. Welch ein Glück. Auch die Schwellung ist langsam aber stetig verschwunden. Sah die Hand anfangs noch aus wie ein aufgeblasener Gummihandschuh mit unbeweglichen Fingerchen, hat sie sich dem ehemaligen Aussehen wieder angenähert und ist beweglich. Noch nicht ganz richtig, aber auch das wird fast täglich besser. An manchen Tagen kommen die Schmerzen wieder hoch, aber Herr Nipp sagt sich dann, dass das zum Heilungsprozess dazu gehört. Als Kind hatte er schließlich auch regelmäßig Wachstumsschmerzen, vor allem in den Jahren als er plötzlich in die Höhe schoss und die meisten seiner damaligen Freunde überholte. Nur manchmal, wenn er unbedacht etwas zu schweres hebt oder sich sogar abstützen muss, dann könnte er fluchen, besser noch die Wände hochlaufen, lässt es aber bleiben und sagt dann ganz wehleidig: „Armer Arm.“ Auch das wird mit der Zeit besser werden.

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Auf Umwegen

Natürlich sind diese alten Räder aus den achtziger Jahren eine wahre Augenweide, das ist ihm schon länger klar. Als Kinder haben sie auch an alten Rädern herumgeschraubt, nebenan bei den Nachbarn. Der Vater der Kinder dort hatte alle nötigen Werkzeuge und zu Zeiten des regelmäßigen kostenlosen Sperrmülls um 1980 konnte man auch Räder finden, die niemand mehr haben wollte. Die wurden zunächst erstmal demontiert und bis auf den Kern heruntergeschraubt, um dann etwas Neues zu schaffen, etwa mit kleinerem Vorderrad oder einmal haben sie sogar ein Tandem gebaut. Das funktionierte zwar nicht besonders gut, aber es hat Spaß gemacht. Das Ausprobieren stand damals im Zentrum des Tuns. Niemanden hat es gestört, wenn es nicht perfekt war. Viel haben sie gelernt, zum Beispiel, dass man Öl braucht, um Schrauben zu lösen und große Hebel, wenn wenig Kraft vorhanden ist. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Eine Freundin hat ein altes Rad gefunden, rostig, mit defekter Kette, kaputten Reifen und krummer Lenkerstange. Aber natürlich kann sie sich vorstellen, wie toll es aussehen könnte…
Herr Nipp hat die meisten Kniffe inzwischen vergessen, er ist ja schließlich kein Kind mehr und wenn 45 Jahre ins Land gezogen sind, sieht man verschiedene Dinge ja vielleicht auch anders. Wenn jedoch, und genau das war in diesem Fall der Fall, die Bitte kommt, vielleicht zu helfen, wie kann er da widerstehen. Ein Pedal ist zu lösen, das will sich beim besten Willen nicht vom Kurbelarm entfernen lässt. Nachdem der Maulschlüssel nichts zu packen kriegt sägen die beiden schließlich, entfernen das defekte Pedal und lösen den Rest mit einem Ringschlüssel und gezielten Hammerschlägen. Kleiner Jubel und Umarmung, als die Schraube sich dreht, festere Umarmung als sie entfernt ist. Dem Neuaufbau des Rades steht nichts mehr im Weg. Herr Nipps Aufgabe ist getan, die Freundin wird den Rest erledigen. Wahrscheinlich wird das alte Rennrad in einigen Wochen ladenneu aussehen und viele neidische Blicke ernten. Wahrscheinlich wird eine stolze Radlerin an ihm vorbeisausen demnächst. Und irgendwie auf Umwegen ist Herr Nipp doch noch einmal zu einen an Rädern schraubenden Kind geworden.

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Frühfrühlingsommer

„An diesem Tag im Haus zu sitzen, ist eine Sünde“, hat ihm seine beste Freundin direkt, wie sie nun einmal ist, gesagt. „Komm raus, die Sonne scheint, es ist warm und fühlt sich wie der erste Sommertag an und dabei haben wir gerade mal den 6. April.“ Und tatsächlich ist es draußen im Garten unerwartet warm. Die Bergmolchmännchen käbbeln sich im Gartenteich um die nicht so reichlich vorhandenen Weibchen, auf dem Hausdach sorgt mit lautem Geschrei ein Turmfalkenpärchen für künftigen Nachwuchs und die Hummeln sind immer noch auf der Suche nach geeigneten Höhlen für ihre Nester. Ganz verzückt schlawienert Herr Nipp samt seiner obligatorischen Tasse Kaffee beobachtend durch den Garten, entdeckt hier ein Kraut, dort ein Insekt, steht gefühlt stundenlang am Teich, wundert sich über die Größe der Schlammspitzschnecken und kann sich über deren Algenfrisuren amüsieren, die sie hinter sich herziehen, aber jedes Idyll hat irgendwann ein Ende. Spätestens wenn der Nachbar seinen laut stinkenden Rasenmäher anwirft.

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Altruismus

Jegliche Herabsetzung selbstloser Hilfe ist eine billige Ausrede für fehlendes Mitgefühl, denkt Herr Nipp, als er in der Kneipe am Nachbartisch zwangsläufig ob der Lautstärke ein Gespräch gezwungen ist mit anzuhören. Und dann überlegt er, wie ein Intellektueller diesen Satz zu einer Parole umfunktionieren würde. Es ginge jenem da wie dem Agrarwissenschaftler, der mit dem Satz „Der Intellekt des Agronomen konstituiert sich reziprok proportional zum Volumen seiner Solanaceen.“ nicht anderes sagen will als „Der dümmste Bauer erntet die dicksten Kartoffeln.“ Eigentlich ganz einfach denkt sich Herr Nipp, zückt das kleine Notizbuch und den Kugelschreiber, die er seit einiger Zeit gerne in seiner zugegeben etwas altmodischen Umhängetasche gerne mit sich führt und beginnt mit der Übersetzung. „Jedwede Diffamierung des Altruismus ist ein inferiores Alibi des Defizits handelnder Empathie.“

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