Mal wieder langweilig

Warten. Er sitzt und wartet, gefühlt macht das Warten ein Drittel seines Lebens aus, warte, was natürlich nicht so ist, aber jeder weiß ja wartend, dass das Warten genauso langweilig ist und damit mehr wahrgenommene Zeit kostet, wie (oder heißt es als?) einen Text zu lesen, der alle paar Wörter wörtliche Wiederholungen bietet. Die Zeit zieht sich wie ein Kaugummi, in das man versehentlich im Sommer auf der Marktpassage getreten ist. Die meisten Menschen nutzen solche Situationen für: genau, für nichts. Andere essen sich eine Portion Currywurst Pommes oder zwei, wieder andere zücken ihren Taschencomputer, lassen sich von Filmchen berieseln, welche die einschlägigen „Asozialen Netzwerke“ in rauen Mengen liefern, von hübschen wie nichtssagenden Menschen, den sogenannten Influencern, von Misshandlungen an Tieren, von sportlichen Unglaublichkeiten und unglaublich schlecht gefälschten Entdeckungen und was auch immer. Herr Nipp liebt ja diese laufenden Bilder, in denen innerhalb weniger Sekunden unglaublich effektvolle Gemälde produziert werden, inhaltsleer und ähnlich denen, die man in Rom und Paris anredet Straßenecke für wenige Euro erwerben kann. Es lebe der Hübschismus. Er findet es auch toll, wenn Urlauber angeblich am Strand Seeungeheuer entdecken oder in einer Baustelle das Skelett eines echten Riesen. Mindestens zehn Meter hoch. Neuerdings findet er immer wieder Abbildungen von Meerjungfrauenskeletten, die angeblich schon 1000 Jahre alt sind. All das wird natürlich von der Wissenschaft verschwiegen. Gerade hat er beschlossen, endlich sein Smartphone aus der Tasche zu ziehen, da kommt die erwartete Person um die Ecke, ebenfalls ein Endgerät in der Hand und schwachsinniger Weise gestikulierend in ein Gespräch vertieft. Er wird noch einige Minuten das Gespräch ertragen müssen. Wie? Natürlich wartend.

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Der Tag

Der Tag neigt sich dem Ende zu. Herr Nipp sitzt auf einem seiner beiden schwarzen 60er Jahre Ledersessel bequem nach hinten gelehnt. die Augen hat er geschlossen. Er lauscht. Nichts zu hören, lediglich das Plätschern des Wassers im Aquarium, sonst ist alles soweit still. Kein Wind draußen, niemand, der ihn anruft oder stören möchte. Es scheint ihm fast, dass dieser Tag zu Ende gehen möchte ohne irgendein Ereignis, ohne irgendeine Spitze. Aber ist ist auch eine wahre Kunst und zeugt von Selbstbeherrschung, von morgens bis abends fast ohne Bewegung auf diesem Sessel zu sitzen.

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lange Reihe

Aus der langen Reihe seiner Schallplattensammlung hat er sich die erste Soloplatte von Beth Gibbons gezogen. Gleich mit den ersten Tönen der Instrumente und Klängen ihrer außergewöhnlichen Stimme driftet er in eine andere Welt. Ja, aus der langen Reihe der Sänger und Sängerin tritt sie heraus und fährt ihm immer, wenn sie hören hören ist, durch sämtliche Nervenzellen und Synapsen.

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Melencolia

Den alten Druck von Albrecht Dürer hat er vor Augen, wenn es ihn manchmal überkommt. Dieses Gefühl verlorener Zeit oder besser gesagt Jugend, die irgendwann eben einfach abhanden gekommen war. Dann erfasst ihn zuweilen eine gewisse Melancholie, alle Dinge scheinen ihm verstreut herum zu liegen. Man müsste alles nur aufheben und in eine Ordnung bringen und schon könnte Weltbewegendes entstehen. Kunst vielleicht oder Musik, ein Text oder gar eine Erfindung, die alles ins Wanken bringt. Und er sitzt nur da, denkt nach oder hat das Gefühl, dass er diese Nacht unbedingt noch nach draußen muss, die Beine bewegen. Alles nimmt er intensiv, geradezu körperlich wahr, die Klänge, die Farben, Dunkelheit und Kälte, alles ein Stimulus, den er nicht zu fassen bekommt, nicht zu ordnen. Und manchmal fragt er sich dann, wann das wohl anfing, dass ihm die Jugend entglitten ist.

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Arbeitskreise

Es geht und gilt noch immer die alte Weisheit „Wenn du nicht mehr weiter weißt, dann bilde einen Arbeitskreis.“ Meist ergibt das durchaus Sinn. Wo einige Menschen zusammen kommen, finden sich Ideen, die kombiniert Zugkraft entwickeln und Probleme lösen. Zuweilen sitzt auch Herr Nipp in solchen Gruppen, die sich meist weniger freiwillig, dafür aber motiviert zusammentun. Die Aufgaben gestalten sich dabei manchmal angespannt bis diffizil, je nach Gemengelage, je nach Themenfeld. Und nicht zu vergessen, je nach Menschenzusammensetzung. Am besten sind Gruppen, die zielorientiert oder produktbezogen interagieren. Das schlimmste Konglomerat sind Häufutngen von narzisstischen Selbstdarstellern. Dann geht er irgendwann unter einem Vorwand. „Mein Hund- ihr wisst schon- hat Durchfall.“ Niemand wird dann fragen. Dann arbeitet er letztlich allein am Thema, ohne Garantie und mit Freude.

Als gerade eine Kollegin zur Rede ansetzt, weiß er schon, das wird den Prozess um Stunden zurückwerfen. Vom Hölzchen aufs Stöckchen kommend, verlegt sie ganze Parkettböden. Eine halbe Stunde später steht er draußen. Er war aufgestanden, hatte etwas vor sich hingemurmelt, das sich irgendwie nach Zahnschmerzen angehört hatte.

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