nächtig

plötzlich fällt die Nacht herunter

deckt ihn dunkel zu

nanu, denkt er wenig munter

was machst da denn du

plötzlich fällt der Tag ganz raus

denn da wird es dunkelkalt

er besinnt sich, so ist’s halt

geh jetzt besser wohl nach Haus

Ganz knapp nur er den Weg noch findet

da die Sicht auf alles schwindet

doch noch grad so angekommen

so ist er müde, ganz benommen

…reimt er für sich hin, ganz nebenbei und muss plötzlich laut lachen, nicht wegen der naiv einfachen Wortwahl und Struktur, nicht nur ob der klaren Voraussehbarkeit und eher platten rhetorischen Figuren, aber die Vorstellung die Feingeister der literarischen Gesellschaft beim nächsten offenen Leseabend damit zur kritiklosen Verzweiflung zu treiben, amüsiert ihn schon jetzt außerordentlich.

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lange Fahrten

Klar, denkt er, es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, in den Urlaub zu kommen. Die einen fahren ganz umweltfreundlich mit dem Rad, andere mit Krad, Bahn oder per Flugzeug, er selbst kennt es seit seiner Kindheit, dass mit dem Auto gefahren wurde. Der Fahrer muss hellwach sein, immer. Ist er müde, wird es gefährlich. Bisher ist es immer gut gegangen, auch wenn einige Situationen haarig waren. Die Regel bleibt seit jeher, lieber etwas später ankommen und pausieren, als durchfahren und gar nicht. Auch Herr Nipp sieht das so, nur manchmal fällt ihm die eigene Hybris von hinten an, in solchen Fällen hat er aber meistens eine aufmerksame Beifahrerin, die einfach sagt: „Schluss jetzt, fahr auf dem nächsten Parkplatz.“

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Verwaltung

“Da ist ja noch Zeit“, meint ein völlig verdutzter Herr Nipp, „da kann ich ja noch was schreiben.“ „Ich mach Verwaltung“, meint die Kollegin, holt ihr Handy heraus und prüft, was ihr wohl an diesem Tag durch die Lappen gegangen sein könnte. „Habe ich eben schon gemacht“, murmelt Herr Nipp noch und ist schon wieder in seinen Text vertieft, den er innerhalb der nächsten drei Tag abzugeben hat. Ja, ein etwaiger Gedanke ist wohl da, aber noch nicht das Gerüst, an dem die Einzelteilen aufzuhängen wären. Eine Struktur muss her, das Skelett, an dem die Einzelteile anfangen können zu arbeiten. Und plötzlich kommt die Kollegin von der Seite heran. „Was schreibst du da?“ Sie schaut ihm über die Schulter und ist empört. „Ey, du. Ich habe wirklich gearbeitet.“ „Ja, und ich habe geschrieben. Dich habe ich als Gedankenvehikel benutzt.“

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Fremdgespräch

Ferngespräche kennen wir alle, auch wenn wir sie so nicht mehr wahrnehmen, weil ja alles irgendwie in dieser ach ja so digitalen Welt zusammengerückt ist, denkt Herr Nipp, aber Fremdgespräche sind etwas ganz anderes, nicht über weite Entfernungen wird da telefoniert, sondern ganz unbeabsichtigt werde ich zum Mithörer des Gesagten, mal abschnittweise oder in Auszügen ohne jeglichen Kontext, mal auch in aller Breite, wenn die Menschen am Nachbartisch ob ihrer Erregung oder Trunkenheit immer lauter werden und sich gar nicht mehr zurücknehmen können. Zuweilen auch im Vorbeigehen.
Immer wieder gerät er in solche Situationen, die manchmal lustig anmuten, manchmal Anlass zum Nachdenken geben oder in einigen Fällen auch zum Fremdschämen sind. Meistens aber handelt es sich um nebensächliche Belanglosigkeiten mit Hang zum diffus Oszillieren. Mit anderen Worten gesagt, die meisten Gespräche sind eben, was sie sind; oberflächlicher Smalltalk, Themen werden kurz angeriss, nur um wenige Augenblicke später in der Versenkung des Vergessensstrudels zu versinken. Manchmal entstehen durch den Ausschnitt allerdings auch Stilblüten der deutschen Sprache, wie dieser Tage bei einem Besuch in Berlin. Zwei gewagte Gestalten kamen ihm entgegen, wobei es dort kein Wagnis des Aussehens gibt, da eben alles an Personenspielen vorhanden ist. Jeder spielt eine Figur oder besser ausgedrückt, jeder und jede zweite sieht sich als Hauptcharakter auf dieser Bühne einer hektischen Stadt, die scheinbar in erster Linie von Tourismus und dem politischen Apparat lebt, vielleicht auf ganz eigene Weise auch jede und jeder (alle anderen Geschlechter seien hierdurch nicht ausgeschlossen, auch wenn der Autor dieser kleinen Schmonzette natürlich weiß, dass egal, was geschrieben wird, der Schreiber in irgendein Fettnäpfchen zu treten gezwungen wird. Also bleibe es zukünftiglich wieder beim althergebrachten generischen Maskulinum. Alles andere ist auch viel zu umständlich, auch wenn man in heutiger Zeit gerade dafür gefeiert wird, nonbinär zu denken.) Die eine Figur, wahrscheinlich eine Frau mittleren Alters (also 30 bis 70), auch dies kann nicht ganz genau nachvollzogen werden, weil alles viel zu schnell ging, hastete voran den Bürgersteig entlang, der vermutliche Mann (in den besten Jahren, wie früher mal gesagt wurde, also kurz vor altsein) hinterher, leicht keuchend, offenbar ein seit Jahren starker Raucher. Er: „Wir können auch bei dir zu Abend essen, wenn wir hier keinen Platz bekommen.“ Sie: „Nein, zu Hause habe ich nur HARIBO.“

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Flechten

Zwischen den Ritzen der Betonplatten verhaftet
Auf den Steinen des Gehwegs sich ausbreitend
Selbst gekärchert kommen sie schnell zurück
Jedes Teil für sich kann eigenständig leben
Als Blätter, Bärte, Krusten, Warzen
Als Beläge, Blasen, Kreise, Knäuel
Eine Symbiose aus Pilz und Alge
Langsam wachsende Ensembles
Sporen bilden sie ganz heimlich
In Stadt, Land, Industriebrache
In Artis, Urwäldern, Wüsten
In Senken Tälern, Schluchten
Auf Hölzern, Steinen, Stahl
Selten genau trennbar
Vielfältigste Form
Grau bis anthrazit
Gelb über orange
Grün jagt blau
Weiß oder rot

Am Ende faszinierende Überlebenskünstler

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