Kitze

Als Herr Nipp anruft, meint der Freund nur, er solle doch bitte kurz machen. Sie seien dabei, aus einer Wiese, die gemäht werden solle, Kitze zu suchen und in Sicherheit zu bringen. Ob er helfen solle? Nein, du weißt nicht, wie das geht, komm lieber später vorbei und trink mit uns ein Bier. Na gut, denkt Herr Nipp, das kann ich wirklich machen. Aus dem Hintergrund ruft jemand, das sei doch völliger Quatsch. Er solle sofort kommen und gefälligst Handschuhe mitbringen, jede helfende Hand und vor allem jedes Augenpaar sei wichtig. Ja, das erscheint ihm dann auch wirklich schlüssig. Erst die Arbeit, dann das Bier.

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die Zwillingsjahre

So oder so ähnlich wird man über 2020 und 2021 demnächst vielleicht rückblickend sprechen. Herr Nipp ist da härter, er nennt sie die Nichtjahre.

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lesen

Seit er diese Lesebrille tragen muss, seitdem in manchen Situationen dieses Gestell auf seiner Nase hängen muss, damit die Buchstaben keine Wolke bilden, sondern scharf zu erkennen sind, seit drei Jahren also macht ihm das Lesen nicht mehr so viel Freude. Hatte er sonst jede Woche ein anderes Buch begonnen, ist es ihm jetzt ein Stück weit zur Last geworden. Ja, die Wochenzeitung schon noch, aber sich ein Buch aus dem Regal zu nehmen? Ein Freund, den er letzten Freitag in seiner Lieblingskneipe getroffen hatte, wollte ihm ein Buch mitbringen, damit er wieder ins und ans Lesen käme. Und tatsächlich wartete er nun gespannt auf den kommenden Mittwoch. Der Freund würde kommen, ob ihm das Buch auch zusagen würde, das könnte Herr Nipp jetzt noch nicht sagen.

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Bach

Seit einer Stunde liegt er nun auf der schwarzen Couch, hat sich eine CD angemacht (eigentlich hört er ja lieber Vinyl, aber wie war das noch mit geschenkten Gäulen) und hört ganz entspannt Toccata und Füge von Bach. Eine schöne Aufnahme von Karl Richter auf der Orgel der Jägersblogkirche bei Kopenhagen. Zwischendurch schläft er immer mal ein, beobachtet dann wieder die Wolken am Himmel, die Flugzeuge mit den weißen Kondensspuren, die zùgig das Sichtfeld queren, die Mauersegler, die es verstehen, die Luft zu zerschneiden. Im sechsten Stück „wacht auf, ruft uns die Stimme“ kommt allerdings ein Brummton vor, der die Idylle zerstört. Ein echter Weckruf. Er steht auf.

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abkupfern

Woher dieses schöne alte Wort kommt, kann er nur erahnen. Wahrscheinlich, denkt Herr Nipp, hat es etwas damit zu tun, dass in alten Zeiten berühmte Gemälde als Kupferstiche nachgeahmt wurden, damit auch nicht so ganz wohl betuchte Leute sich Bilder in die Wohnung hängen konnten. Dann stand darauf immer der Stecher ( mein Freund und Kupferstecher), man könnte auch Plagiator oder Nachahmer sagen, und natürlich der eigentliche Schöpfer (Künstler). Das Abkupfern hatte Vorteile für alle Seiten. Der Künstler kam zu Ruhm und Tantiemen, der Kupferstecher hatte ein Einkommen und der Kunde bekam ein Bild, das zumindest dem Original nahe kam. Er kann sich gut daran erinnern, dass früher in den Stuben und Schlafzimmern alter Menschen noch solche Stiche hingen. Beliebt sicherlich das Abendmahl des Leonardo, der wahrscheinlich nichts mehr davon hatte, die Raffaelsschöpfung Sixtinische Madonna auch, aber ebenso Bilder von vor langer Zeit zeitgenössischen Künstlern von Urgroßeltern. Etwa ein Stich nach einem Gemälde von Meyer von Bremen oder diesem seltsamen Bild mit Waldlichtung, dessen Schöpfer Herr Nipp bis heute nicht kennt. Alles untergebracht in schweren schwarzen Lackrahmen. Heute plagiiert jeder mit einem Fingerwisch, ohne nachzufragen oder gar nachzudenken, aber wenn es in der Wissenschaft passiert, dann wird es peinlich. Herr Nipp hörte mal von einem Schüler, der „Die Made“ von Heinz Erhardt als Selfmade ausgegeben hatte. Übrigens mit dem Erfolg eines Täuschungsversuchs und einhergehender ungenügender Note. Aber abgesehen davon. Seien wir mal ehrlich: Plagiarismus ist notwendig, er löscht vorhandene Fehler, schafft neue Perspektiven und ist vor allem oftmals die Plattform wichtiger kreativer Prozesse. Außerdem, und das sollte kein vermeintlicher Plagiatsenthüller, der selbst nichts auf die Kette kriegt, aber mit selbiger andere Menschen in den Dreck zu ziehen sucht, vergessen, ist das Plagiat Teil der menschlichen DNA. Beobachte und lerne. Vielleicht, denkt Herr Nipp, sollte er mal einen Kupferstichkurs bei der hiesigen Volkshochschule belegen und das Abkupfern von Grund auf lernen.

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