abkupfern

Woher dieses schöne alte Wort kommt, kann er nur erahnen. Wahrscheinlich, denkt Herr Nipp, hat es etwas damit zu tun, dass in alten Zeiten berühmte Gemälde als Kupferstiche nachgeahmt wurden, damit auch nicht so ganz wohl betuchte Leute sich Bilder in die Wohnung hängen konnten. Dann stand darauf immer der Stecher ( mein Freund und Kupferstecher), man könnte auch Plagiator oder Nachahmer sagen, und natürlich der eigentliche Schöpfer (Künstler). Das Abkupfern hatte Vorteile für alle Seiten. Der Künstler kam zu Ruhm und Tantiemen, der Kupferstecher hatte ein Einkommen und der Kunde bekam ein Bild, das zumindest dem Original nahe kam. Er kann sich gut daran erinnern, dass früher in den Stuben und Schlafzimmern alter Menschen noch solche Stiche hingen. Beliebt sicherlich das Abendmahl des Leonardo, der wahrscheinlich nichts mehr davon hatte, die Raffaelsschöpfung Sixtinische Madonna auch, aber ebenso Bilder von vor langer Zeit zeitgenössischen Künstlern von Urgroßeltern. Etwa ein Stich nach einem Gemälde von Meyer von Bremen oder diesem seltsamen Bild mit Waldlichtung, dessen Schöpfer Herr Nipp bis heute nicht kennt. Alles untergebracht in schweren schwarzen Lackrahmen. Heute plagiiert jeder mit einem Fingerwisch, ohne nachzufragen oder gar nachzudenken, aber wenn es in der Wissenschaft passiert, dann wird es peinlich. Herr Nipp hörte mal von einem Schüler, der „Die Made“ von Heinz Erhardt als Selfmade ausgegeben hatte. Übrigens mit dem Erfolg eines Täuschungsversuchs und einhergehender ungenügender Note. Aber abgesehen davon. Seien wir mal ehrlich: Plagiarismus ist notwendig, er löscht vorhandene Fehler, schafft neue Perspektiven und ist vor allem oftmals die Plattform wichtiger kreativer Prozesse. Außerdem, und das sollte kein vermeintlicher Plagiatsenthüller, der selbst nichts auf die Kette kriegt, aber mit selbiger andere Menschen in den Dreck zu ziehen sucht, vergessen, ist das Plagiat Teil der menschlichen DNA. Beobachte und lerne. Vielleicht, denkt Herr Nipp, sollte er mal einen Kupferstichkurs bei der hiesigen Volkshochschule belegen und das Abkupfern von Grund auf lernen.

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