Auf dem Flur

Draußen auf dem Flur Stimmen. Offenbar sitzt oder steht dort eine Menge von Menschen, die darauf wartet, vorgelassen zu werden. Seine Tür ist einen Spalt weit geöffnet. Nicht beabsichtigt, sie steht eben gerade auf, als hätte das Geschehen der Welt nichts mit ihm zu tun. Herr Nipp hat sich an die Gespräche gewöhnt, die dort stattfinden. Er kann nicht verstehen, worum es geht, nur manchmal dringen einzelne Worte zu ihm vor, scheinen aus dem allgemeinen Gackern hervor, füllen sich für Augenblicke geradezu leuchtend mit Bedeutung und gehen dann im allgemeinen Wust der Töne wieder unter. Wie Meeresrauschen lullen ihn die Sequenzen des allgemeinen Tönens ein. Nur mit Mühe kann er seine Augen offen halten. Immer wieder schrammt er am Rand des Einschlafens vorbei und fällt in die Realität zurück. Zuweilen fragt er sich, ob diese Realität wirklich wirklich ist, manchmal glaubt er auch, dass alles letztlich nur ein Traum sein kann. Auch das Bewusstsein scheint auf einem Wellenteppich zu schwappen, ähnlich der Stimmen da draußen. Manchmal schaut er auch hinaus, sieht an- oder abgeschnittene Körper, halbe Gesichter selten auch. Kleidungsstücke, die ihm nicht zusammengehörig erscheinen. Ob diese Wesen dort freundlich sind oder nicht, kann er nicht beurteilen. Wer weiß denn schon? Vielleicht handelt es sich auch gar nicht um intelligente Primaten, sondern um Chimären, zusammengesetzt aus Teilen aller möglichen Tiergruppen. Er kann sich an die Wolpertinger erinnern, die ihm als Kind aufgefallen sind. In einem Urlaubsdorf in Österreich gab es in einem Restaurant eine Ecke, dort stand ein solch zusammengeflicktes Mischwesen, das wohl lustig sein sollte. Er aber hatte sich damals als vierjähriger Junge ernsthafte Gedanken darüber gemacht, ob das denn wohl möglich sein könnte. Er hatte für sich entschieden: „Nein, das geht nicht.“ Aber heute, als alter Mann ist er sich gar nicht so sicher. Was ist denn möglich? Was kann diese verkorkste Menschheit mit ihrem Wahn der Verstümmelung der Natur nicht doch alles erzeugen. „Herr Nipp?“, steht ein breitschultriger Mann in der Tür. Ein Schrecken, ein Zusammenzucken. Wer kennt ihn denn hier, wer will etwas von ihm? „Entschuldigen sie bitte, dass ich hier so hereinplatze, aber eben wurde mir gesagt, ich könne Sie hier finden.“ „Ja? Ja, ich bin eindeutig hier. Wie kann ich Ihnen helfen?“ „Ich habe hier ein Paket für Sie, das ist wohl versehentlich bei mir abgeliefert worden.“ So aus der Gedankenwelt in die Realität gerissen bemerkt Herr Nipp, dass es Zeit wird zu gehen. Seine Zeit des Wartens ist um.

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gelöscht

Herr Nipp hat einen Text verfasst. Nicht geschrieben, einfach so heruntergepinnt oder geschwurbelt, nein, er hat seinen Gedanken ausgewalzt, gedrechselt und ziseliert, dann vertiefend gekürzt und ihm zum Schluss einen sprachlichen Schliff verpasst, der jedem Leser zeigen würde, was er in den letzten Seminaren zum Thema „Poetische Texte“ gelernt hatte. Neuerdings versucht er sich in der Kunst des Schreibens. Er ist dann ganz glücklich auf die Toilette gegangen, „was für ein Geschenk“ in den Gedanken. Der Rechner hat sich abgeschaltet – wo ist der Text?

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Muskelmasse

Er wundert sich, der eben noch kleine Junge, der vor ihm steht, ist ein junger Mann geworden. Offensichtlich ein solcher, der sich sehr um sein äußeres Erscheinungsbild bemüht. Die Muskeln wirken wie aufgepumpt, dafür ist die Haut wegen des übermäßigen Testosterons eher picklig anzusehen. Die Kleidung lässig, aber sehr ausgewogen und korrekt. Nur seine Sprache ist eher schockierend. „Ey, Alter, was willst von mir!“ Wobei das letzte Wort „Miäh“ ausgesprochen wird. Egal wie Menschen sich geben, ihre Sprache, denkt er, verrät alles.

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Blätter

Der Baum draußen vor dem Fenster hat wieder sein imponierendes Kleid angelegt. Die Blutbuche leuchtet dunkelrot in die Landschaft. Weder Herr Nipp noch sie selbst weiß, dass sie im Herbst schon gefällt wird.

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Trödelmarkt

Gerne geht er des Sonntags auf einen der umliegenden Trödelmärkte. Meistens will er einfach nur das Gefühl haben, etwas zu suchen, manchmal findet er auch tatsächlich irgendetwas. Auf dem Trödelmrkt guckt er vor allem nach Schallplatten. An diesem oder jenem Stand finden sich Kisten den musikalischen Kostbarkeiten. Wenn sie auf dem Boden stehen, findet sich meist 100% Schrott, sobald die Platten auf einem Tisch stehen könnte es interessant werden. Eines ist aber klar. Wenn sie Vinylscheiben unten stehen, kann man in seltenen Fällen ein preisgünstiges Schnäppchen machen, stehen sie oben, weiß der Händler um den Wert.

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