Ein letztes Mal

Das Lachen und Feiern und Weinen und Genießen
die Stunden und Minuten und Sekunden
die Menschen, die bekannten und unbekannten
die Freunde und möglichen Gegner
den Lärm und die Gerüche
das Bier und den Wein
das Gedränge auf engstem Raum
die Rufe, das Geschrei und die Musik
den Rauch in den Lungen
die Augen und Blicke
den letzten Tanz

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Flammen

Ein kleines Bisschen Glut reichte aus, um das Feuer wieder zu entfachen. Herr Nipp hat der Einfachheit halber nur ein paar Stücke Holz aufgelegt. Jetzt sitzt er auf seinem Lieblingssessel, einem schwarzen Ledersessel aus den sechziger Jahren, der vielleicht nicht gerade den heutigen Ansprüchen einer Wohnzimmerlandschaft entspricht, aber druchaus bequem erscheint. Die beiden Kissen auf dem Gestell sind arg zerknautscht und müssen regelmäßig aufgeklopft werden, aber gerade macht sie ja gerade aus. Leder und Federn, beides echt. Das Gestell ist aus Holz, Kirsche, oben herum ebenfalls mit Leder bezogen. Klassiker, hat mal ein Freund gesagt, der es wissen sollte, ein Designhistoriker, der sich im Speziellen mit den Folgen des Bauhausdesigns bis hin zu Achtzigern auseinandersetzt. Wie dem auch sei, tolles Stück, von dem Herr Nipp gleich zwei und ein passendes Sofa übernommen hat. Eigentlich hatten die auf dem Sperrmüll wandern sollen. Die von ihm initiierte Rettung der Möbelstücke kann allerdings nicht unbedingt als uneigennützig bezeichnet werden. Egal, jetzt stehen sie sicher im Wohnzimmer und dieser eine Sessel direkt vor dem Iron Dog, dem gusseisernen Ofen, der die die gesamte Wohnung wärmt. Und das beste daran ist, dass die Flammen flackern, lodern, das Holz umtanzen und umspielen, ein ursprüngliches Ringen um Sein und Nichts. Auf dem Plattenteller liegt eine Vinyl von den Apewards, nicht unbedingt romantische Klänge, sondern eine klare Rockansage. Brettharter Stahlbeton. Seine Füße hat er in Richtung des Ofens ausgestreckt und im Mund entfaltet sich noch der frische Geschmack der Pizzabrötchen mit Knoblauchmajonaise, die er eben gegessen hat. Es ist wie früher in seiner Kindheit. Wie er es geliebt hat, vor dem damals noch vorhandenen offenen Kamin mit seinen Legosteinen zu spielen. Spezialgebiet: Entwicklung futuristischer Flugzeuge. Manchmal setzte sich die Mutter dazu, strickte oder häkelte dann. Meistens aber war der kleine Bruder dabei, der vor kurzem inzwischen ebenfalls schon die Fünfzig gerissen hat. Verrücktes Vorrücken der Zeit, so schnell und effektiv, so brutal. Er hatte es genossen, immer wieder in die Flammen zu schauen und die Hitze auf der Haut zu spüren. Eigentlich würde jetzt ein guter Rotwein dazu passen, denkt er, erinnert sich an die guten Zeiten, in denen er sich be- und geschützt gefühlt hatte. Zurückzudenken an die verschwundene Innigkeit, das blinde Verstehen. Doch er hat vor vielen Jahren den Beschluss gefasst, niemals Alkohol zu trinken, wenn er allein ist.

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Erträglichkeit

Dunkelheit ertragen
im Wissen um das Licht.

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Aquarium

Bei anderen Menschen läuft täglich stundenlang die Flimmerkiste, laufen die Rechner mit ihren Egoshooterspielen ununterbrochen, doch bei ihm flimmert das Becken mit den Fischen und Garnelen. Wenn Herr Nipp am Schreibtisch einmal keine Lust mehr auf Buchstabenkolonnen und Zeichenreihen hat, wenn er erkennt, dass Sysiphos ihn mal wieder hereingelegt und ihm die große Steinkugel übergeben hat, dann schaut er einfach nach rechts in den kleinen grünen Unterwasserdschungel. Entspannung pur für seine lädierten Augen. Er sieht sich nicht als Unterwasserlandschaftsgestalter, hier leben die Tiere und Pflanzen ganz einfach, ohne Heizung und mit einem kleinen Filter. Alles wuchert irgendwie vor sich hin und manchmal nur entnimmt er etwas. Einige rote Blätter etwa oder etwas Moos, das wirklich prächtig gedeiht. Das Wasser wird nicht weggeschüttet, sondern als Gießwasser für das restliche Gestrüpp verwendet, das bei ihm in den diversen Ecken haust. Kaffeebäumchen, einige Avocados, eine Pampelmuse wahrscheinlich, es könnte sich allerdings auch um eine Zitrone oder Mandarine handeln, das kann er gar nicht bestimmen, ein Alpenveilchen und eine Pfannkuchenpflanze, die ihm kürzlich ein guter Freund geschenkt hat. Ähnlich wie der Garten im Sommer, machen all die Pflanzen doch mehr das, was sie möchten und das Aquariumwasser scheint ihnen dabei ganz gut zu tun. Die vier Fische lassen sich nur blicken, wenn es Futter gibt, ansonsten sind sie recht heimliche Gesellen. Kürzlich hat ihnen eine Freundin die Namen Justus, Jannik und Janina gegeben, warum weiß Herr Nipp auch nicht so genau, aber sie findet es lustig. Ja, sie hat richtig gelacht dabei. Und wer diese Frau kennt, der weiß, was echte Freude ist. Nein, der vierte Fisch ist weiterhin namenlos. Einige Fische brauchen einfach keinen Namen, hatte sie gesagt. Spannender als die Fische sind allerdings die Garnelen, die sich in allen Ecken tummeln. Übrigens ebenfalls namenlos. Die hat er auch von der Freundin, welche einen großen Überschuss dieser Tiere hatte. Die können sogar auf dem Rücken schwimmen, wenn es um das Futter geht. Beeindruckend.

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Kollegialität

Immer wird, denkt Herr Nipp, dieses große Wort der Kollegialität hochgehalten und selten war es so eine leere Worthülse wie jetzt. Da ist vielleicht ein Kollege schwer krank gewesen oder immer noch krank, dass es dann auch Nachsorge gibt, damit dieser Mann oder diese Frau wieder gesund wird, sollte für jeden klar sein. Das sollte vor allem klar sein, wenn jeder Einzelne weiß, dass es auch sie oder ihn selbst irgendwann betreffen kann. Wer also rekonvaleszent ist oder sich auf dem Weg der Rekonvalenszenz befindet sollte geschont werden. Niemand würde heute noch einer Frau einen Vorwurf machen, wenn sie wegen Komplikationen in der Schwangerschaft für Wochen oder Monate ausfällt. Niemand macht sich (anscheinend) auch nur ansatzweise Gedanken darüber, wenn die lieben Kinder bei der Mutter Anlass sind zu fehlen. Schlimm aber wird es dann, wenn ein Mann krank ist oder immer wieder zur Nachsorge zum Arzt oder ins Krankenhaus muss, oder noch schlimmer, wenn er als Vater sich um seine kranken Kinder kümmert, meist fällt er für ein bis drei Tage aus. Da gibt es plötzlich Mitglieder des Kollegiums, die ihm fehlenden Arbeitsethos vorwerfen? Herr Nipp ist mehr als entsetzt und fragt sich, wie schnell er reich werden könnte, wenn jede und jeder seiner Mitarbeitenden (wenn sie oder er denn wirklich mit arbeitet) ihm einen Euro für das Phrasenschwein geben würde.

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