Besucher

Nachmittags, spät nachmittags kommt der Besuch. Eigentlich (und eigentlich ist eigentlich eigentlich) hätten (es ist also nicht passiert) sie wahrscheinlich (man beachte an dieser Stelle die dritte Möglichkeitsform) sonst einen längeren Spaziergang gemacht. Es kommt eben, wie es kommt. Oder wie Herr Nipp dann immer sagt: „Isso.“ Der Spaziergang ist kurz, nur über den Friedhof, der sich in den letzten Jahren zu einer Parklandschaft entwickelt hat, seitdem dort nicht mehr beerdigt werden darf. Der Himmel dräut und auf dem letzten Metern zum Haus fallen schon die ersten dicken Tropfen. Also beschließen die beiden Männer, sich innen hinzusetzen. Details seien hier erspart. Es geht schließlich niemanden an, dass sie ein zwei Bier trinken, jeder eine Zigarette raucht, nur eine, dass sie sich über sich und andere lustig machen und der dritten im Bunde gedenken, die vor vielen Jahren schon vorausgegangen war. Sie sitzen nebeneinander, so wie früher, schauen aus dem Fenster heraus. Kommentatoren der Welt und der persönlichen Geschichte. Geschichte mit vergangenen Beziehungen und Begegnungen, mit Taten und Unmöglichkeiten. Der eine ein Stadtmensch mit Landsehnsucht, der andere ein Kleinststadtmensch ebenfalls mit Landsehnsucht. „Eigentlich unglaublich, dass diese vier Jahre unserer Jugend so entscheidend waren, sich so tief eingebrannt haben, dass ich immer das Gefühl habe, wenn du kommst, können wir dort ansetzen, wo wir zuletzt stehengeblieben sind,“ meint Herr Nipp. Längere Zeit Schweigen. Aus dem Fenster in den Sturzbachregen schauen. „Auch nach vierzig Jahren,“ meint der andere. Sie blicken sich zwischendurch an. Vierzig Jahre, die einfach so prall mit Leben gefüllt verstrichen sind. Und beide wissen um sich und ihre alte Freundschaft.

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