Regentag

Während es draußen seit dem frühen Abend tröpfelt, sitzt Herr Nipp in aller Gemütsruhe unten vor dem Kaminofen, den er sich ausnahmsweise mal wieder angemacht hat und liest seine Wochenzeitung. Zunächst hatte er sich von Radiohead die Langspielplatte „Pablo Honey“ aufgelegt und beide Seiten je zweimal gehört, inzwischen liegt „Horses“ von Patty Smith auf dem Teller und kreist ihre melancholischen Runden. Da heute ein Feiertag ist, wird erst zu einer zweistelligen Zeit Leben ins Haus kommen. Dann ist er wohl schon bei „Easter“ angekommen. Die derzeitigen Mitbewohner unterliegen der Sonn- und Feiertagsregelung, und da steht nunmal niemand außer Herrn Nipp vor zehn auf. Gut, die Katze war schon da, hat sich von ihm abtrocknen und kurz kraulen lassen, wollte dann nach oben in ihr Nest. Auch von ihr wird er die nächsten Stunden nichts mehr hören. Also in die Zeitung vertiefen. Ja, denkt er, die Weltlage ist ernst, man könnte glatt verzweifeln, wenn ich nicht wüsste, dass nach Regen auch wieder Sonne kommt, nach Krieg Frieden, und legt die Zeitung sinnend beiseite, die Narzissten und Nazis wollen die Macht entweder an sich reißen oder haben es schon geschafft. Egoismus sträubt sich gegen die Vernunft, aber vielleicht wendet sich ja auch alles zum Guten, denn wie heißt es so schön in Fontanes „Die Brücke am Tay“ : „Tand, Tand ist alles von Menschenhand“ und Gryphius sagt in „es ist alles eytel“: „Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein“

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