Lieblingsbank

Tief gehen die Züge der Lunge, ohne Zigarette natürlich sitzt er auf jener Bank, von welcher aus das ganze Tal und die Berghänge der anderen Seite jenseits des Baches betrachtet werden können. Um eine Beobachtung handelt es sich nicht, denn die wäre zweckgebunden. Herrn Nipp ist es vor allem angetan, sehr tief und ruhig ein- wie auszuatmen. Manchmal dringen neben dem dauerhaften Frühlingsvogelgesang der Amseln, Rotkehlchen und Mönchsgrasmücken auch andere Ferne Geräusche an seine Ohren. Alle halbe Stunde fährt da unten ein Regionalzug vorbei. Eine Familie mit drei Kindern und Hund hat er ebenfalls schon gesichtet, ohne auch nur ansatzweise selbst bemerkt worden zu sein, denn dafür ist dieser provisorisch selbst gebaute Sitzplatz zu gut versteckt. Kein offizieller Weg führt direkt hierhin. Das größte Glück widerfährt ihm, wenn sich Tiere nähern. Schonmal ein Reh oder Dachs, einmal sogar der Waschbär. Plötzlich lugt die Sonne durch eine ansonsten den gesamten Tag schon fest geschlossene Wolkendecke, legt ihr warmes Handtuch auf seine Haut. Auf dem Rückweg quengelt eines der drei Kinder der Familie, hat wahrscheinlich keine Lust mehr zu laufen. Auch die Bewegungen des Hundes wirken schlapper. Ein Glück, denkt Herr Nipp, dass ich solche Sorgen nicht mehr habe. Jeder gegangene Schritt ist ihm eine Lust. Aber jetzt sitzt er ja, was gerade die größte Wohltat für ihn ist.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.