Workshopgeflüster

Jeder kennt solche Fortbildungen, die sich gerne auch Coaching nennen, die bei genauer Betrachtung aber letztlich nur teuer zu bezahlende Spielchenrunden sind. Meist nichts sagende Spiele, die mal hierhin, mal dorther abgewandelt werden. Nur der Naive sieht darin einen weiterführenden Inhalt, der das Leben verändern kann. Es hilft aber nichts, manchmal muss auch Herr Nipp durch diese Fortbildungshölle gehen und gute Miene zum belanglosen Spiel machen. Immerhin treten ganz selten auch mal innovative Trainer auf, dann besteht auch einmal die Chance, dass es zumindest Freude machen könnte. Dieser jedenfalls hat sich ausgedacht, die Delinquenten könnten doch Texte verfassen, eigene Texte und später sehr man dann schon, was damit zu machen sei. Zunächst ist die Gruppe von vier Leuten, die von den anderen sechzehn abgesondert worden ist, doch ziemlich gehemmt und zeigt eine gesteigerte Form der hilflosen Sprachlosigkeit, bis einer von ihnen um eine Hilfestellung bittet. Der Dozent spielt eine treibende Musik „Pili Pili“ von Jasper Van`t Hof ab. „Nehmt folgende Worte als Textanfang: Ich liebe es, wenn … Ja, wenn euch nichts dazu einfällt, dann müsst ihr diese Worte einfach immer wieder wiederholen. Wichtig ist, dass ich die ganzte Zeit schreibt.“ Vier Minuten haben sie nun Zeit, sich irgendetwas dazu einfallen zu lassen und jedem ist jetzt plötzlich klar, dass es ziemlich peinlich wäre, immer wieder die gleichen Worte zu schreiben. Also jetzt mal ernsthaft arbeiten scheint er auf den Gesichtern der Partner zu lesen. Er beginnt und ist ganz schnell drin. Vier Minuten schreiben, das sollte doch zu machen sein.

Ich liebe es, wenn ich nachts draußen sitze, der Mond über mir aufgeht und die Kälte langsam unter die Kleidung kriecht. Wenn der Dachs da vor mnir laut knackend die Maiskörner der Kirrung frisst. Icxh liebe es, wenn die Nachbarskatze miauend und vokalisierend herein kommt, kurz schaut, ob der Ofen auch wirklich an ist und sich nach einer peniblen Katzenwäsche daneben legt, um einige Stunden dort zu schlafen. Ich liebe es, wenn sich eine Vinyl auf dem Plattenteller dreht und die in das Schwarz gepressten Töne in den Raum entlässt.

„Stopp!“

Später tragen sie die Texte, auswendig gelernt mit ruhiger Stimme in einem ebenso schmalen wie dunklen Gang den vorbeigehenden anderen Kursteilnehmern vor und am Ende des Seminars wird Herrn Nipp eine Teilnehmerin ins Ohr flüstern, sie habe noch niemals einen solch poetischen Texten im Dunkeln gehört, während sie einem fremden Mann so ganz und gar nah gewesen sei. Auf der Heimfahrt erst versteht Herr Nipp und lächelt amüsiert.

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